Gemeinsame Nutzenbewertung in Europa
Offene Fragen bei der HTA-Durchführungsverordnung.
CC – 04/2024
Die gemeinsame Nutzenbewertung von
Gesundheitstechnologien (EU-HTA) soll ab dem Jahr 2025 schrittweise starten. Die
EU-HTA harmonisiert die Nutzenbewertungen von Gesundheitstechnologien für
Arzneimittel und Medizinprodukte. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/2282 am
12. Januar 2022 und bis es tatsächlich im Jahr 2025 zu den ersten europäischen
Bewertungen in sogenannten Joint Clinical Assessments kommt, ist noch viel
Koordinierungsaufwand notwendig. Der im Februar aktualisierte Fahrplan zur EU-HTA verdeutlicht dies.
Es fehlt an Klarheit
Bis Ende des Jahres 2024 plant die Europäische
Kommission die Veröffentlichung von insgesamt sechs Durchführungsverordnungen. Für
die erste Durchführungsverordnung liegt nun ein Entwurf vor. Darin werden Verfahrensregeln für das Zusammenwirken bei der
Vorbereitung und Aktualisierung gemeinsamer klinischer Bewertungen sowie
Regelungen zum Informationsaustausch und der Beteiligung von Experten
vorgenommen. Die Kommission hat im Rahmen einer Konsultation ein Meinungsbild
dazu eingeholt. Die DSV hat sich mit einem Feedback beteiligt.
Aus Sicht der DSV macht der Entwurf der
Durchführungsverordnung deutlich, dass ohne die Vorlage der noch zu
erarbeitenden Leitfäden einschließlich der Methodik weiterhin keine
ausreichende Klarheit über Inhalt und Umfang der gemeinsamen klinischen Bewertungen
von Arzneimitteln besteht. Damit ist die fristgerechte Umsetzung des EU-HTA auf
nationaler Ebene gefährdet. In Unkenntnis der genauen methodischen Vorgaben ist
davon auszugehen, dass nicht alle in Deutschland regelhaft vorzulegenden Bewertungen
im gemeinsamen HTA-Bericht enthalten sein werden. Somit müssten zusätzliche Bewertungen
auf nationaler Ebene vorgelegt werden. Diese Doppelarbeit sollte mit der EU-HTA
eigentlich vermieden werden.
Nachbesserungen erforderlich
Im DSV-Feedback wird unter anderem der Umgang
mit Indikationsänderungen während des Zulassungsverfahrens kommentiert. Der
vorliegende Entwurf der Durchführungsverordnung sieht vor, dass die Untergruppe
Joint Clinical Assessment (JCA) entscheiden soll, ob die gemeinsame klinische
Bewertung fortgesetzt oder neu begonnen werden soll, wenn sich während des
zentralisierten Verfahrens eine Änderung der therapeutischen Indikation
gegenüber dem ursprünglichen Zulassungsantrag ergibt.
Um zu gewährleisten, dass gemeinsame klinische
Bewertungen genau, relevant und von hoher Qualität sind und auf den besten zum
jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren wissenschaftlichen Nachweisen basieren, ist es
aus Sicht der DSV wichtig, dass die Bedingungen und Verfahrensschritte für die
Aktualisierung dieser Bewertungen festgelegt werden. Aus Sicht des DSV besteht
jedoch Unklarheit über die Fristen für die Aktualisierung der gemeinsamen
Bewertung. Diese werden im Falle einer notwendigen Überarbeitung des Bewertungsumfangs
(Scope) nicht näher spezifiziert.
Mit Sorge betrachtet die DSV auch die
Verzerrungen, die dadurch entstehen können, dass der Entwickler einer
Gesundheitstechnologie (HTD) proaktiv neue Daten vorlegen kann, ohne
gleichzeitig potenziell negative Ergebnisse zu übermitteln. Diese Regelung
erscheint für einen Entwickler dann attraktiv, wenn die neu gewonnenen Daten
das HTA-Ergebnis verbessern könnten. Aus Sicht der DSV sollte diese Regelung
daher gestrichen werden.
Diese und weitere Aspekte kommentiert die DSV in
ihrem Feedback.
Hintergrund EU-HTA
Mit Hilfe von HTA kann der Mehrwert neuer
Gesundheitstechnologien im Vergleich zur aktuellen Standardtherapie bewertet
werden. Bisher fanden HTA-Verfahren allein auf nationaler Ebene statt, was dazu
führte, dass Entwickler von Gesundheitstechnologien ihre Unterlagen mehrfach
und zum Teil unterschiedlich aufbereitet für die Bewertungsverfahren in den
einzelnen Mitgliedstaaten vorlegen mussten. Das EU-HTA Verfahren soll diesen
Verwaltungsaufwand für die Entwickler verringern und die Qualität der
Bewertungen nach den internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin
steigern. Die gemeinsame Bewertung wird den nationalen HTA-Organisationen
wissenschaftliche Informationen bereitstellen, die sie für ihre Entscheidungen
über die Preisgestaltung und Erstattung einer Gesundheitstechnologie nutzen
können. Wichtig war es der DSV, dass die nationalen HTA-Organisationen selbst
entscheiden können, in welchem Umfang sie die europäischen Bewertungsergebnisse nutzen und übernehmen.