Rente: 14% oder 40%?
Aktuelle Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa.
Dr. S-W – 01/2021
Eigentlich hätte
es für viele rumänische Rentner besser kommen können: Im Jahr 2019 beschloss
die sozialistische Mehrheit eine Rentenanhebung um satte 40% - allerdings ausgehend
von einem sehr niedrigen Niveau. Die Anhebung sollte im September 2020 in Kraft
treten. Genug Zeit für die nun konservative Regierung, die Reform wieder
rückgängig zu machen. Dies geschah nicht zuletzt auch auf Druck internationaler
Organisationen, die vor den Konsequenzen für die öffentlichen Finanzen warnten;
diese befanden sich bereits vor COVID-19 in einem bedenklichen Zustand.
Die konservative
Regierung, geführt unter der PNL, ersetzte per Dekret den 40%-Anstieg durch
einen Anstieg um 14%. Nun ging der Streit in die nächste Runde: Das rumänische
Parlament hob das Dekret auf, was umgehend von der Regierung vor das
Verfassungsgericht gebracht wurde. Dieses entschied, dass mit der Aufhebung des
Regierungs-Dekrets keineswegs automatisch die alte Rechtslage der 40%-Anhebung
wieder in Kraft trete. Nun soll das Parlament noch mal entscheiden. Bis dahin
gilt die Anhebung um 14%. Fortsetzung folgt ….
Polen hat
rentenpolitisch ganz andere Probleme. Seit zwei Jahren gibt es einen
Erwerbstätigen-Rentenplan. Er dient dazu, die erfolglosen privaten
Pensionsfonds abzulösen, die – dem Weltbank-Modell folgend – die ursprünglich
obligatorische zweite Säule der Rentenversicherung durchführten. Die Überreste
dieser Fonds erwirtschafteten über den Zeitraum der letzten 3 Jahre negative
Erträge in Höhe von -22,8% (Stand: Oktober 2020). Das neue Programm ist dagegen
nur obligatorisch für die Arbeitgeber, nicht jedoch die Arbeitnehmer. Diese
werden mehrheitlich automatisch in das neue System eingeschrieben, können es aber
wieder verlassen.
Trotz
verschiedener Anreize ist das Programm nicht so beliebt, wie es sich die
Regierung erhofft hatte: Statt 75% blieben in den größeren Unternehmen (mehr
als 250 Mitarbeiter) letztlich nur 40% der Berechtigten im System. Für kleinere
Unternehmen werden weitaus geringere
Teilnehmerzahlen erwartet. Dies liegt schlicht daran, dass diese im
Durchschnitt niedrigere Gehälter zahlen und weniger Raum für zusätzliche
Sparanstrengungen lassen.
Im Vergleich zu
Polen mit einer gewissen Verzögerung hat Estland seine vormals obligatorische
kapitalgedeckte zweite Säule der Alterssicherung in ein freiwilliges System
überführt. Und wieder einmal schlugen die Wellen bis hoch zum obersten
Verfassungsgericht. Eine zwischenzeitliche Parlamentsmehrheit und immerhin auch
Estlands Präsidentin waren der Auffassung, der Umbau des obligatorischen
Systems in ein freiwilliges sei verfassungswidrig. Dem schloss sich das Gericht
nicht an, so dass die Reform nun in Kraft treten konnte. Die Mitglieder des
Systems können nun jederzeit ihre Einlagen abziehen, müssen hierauf dann aber
eine Steuer von 20% entrichten. Ergänzend war es wegen COVID-19 den Mitgliedern
erlaubt, von Oktober 2020 an ihre Beiträge (in Höhe von 2%) für 9 Monate
auszusetzen. Von dieser Möglichkeit haben allerdings nur 1,4% der Berechtigten
Gebrauch gemacht.