
Biotechnologie
EU-Kommission plant Stärkung des Biotechnologiesektors.
CC – 04/2025
EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi plant, im Jahr 2026
einen „Biotech Act“ vorzulegen. Ziel des Gesetzes soll es sein, einfache,
schnelle und transparente Genehmigungsverfahren für den Biotechnologiesektor in
Europa zu schaffen. Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat einen
solchen Gesetzesvorschlag zu ihren politischen Prioritäten erklärt. Sie sieht
in der bevorstehenden Biotechnologie-Revolution eine strategische Chance für
Europa.
Noch ist unklar, welche konkreten Inhalte der Biotech Act
umfassen wird. Das Europäische Parlament nutzt die Zeit bis zur Vorlage eines
Entwurfs, um seine Vorstellungen einzubringen. Dies geschieht derzeit in zwei
Ausschüssen – im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit (SANT) und im
Industrieausschuss (ITRE). Diese Zweiteilung zeigt: Es geht nicht nur um Fragen
der Gesundheitsversorgung durch Biologika und Biosimilars, sondern auch um die
Stärkung eines wettbewerbsfähigen europäischen Biotech-Sektors.
Was sind Biotechnologien?
Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel (Biologika)
spielen bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis
oder in der Krebstherapie eine immer wichtigere Rolle – nicht nur medizinisch,
sondern auch hinsichtlich der Kostenanteile bei den Arzneimittelausgaben.
Wirkstoffe von biologischen Arzneimitteln werden beispielsweise in lebenden
Zellen von Tieren und Pflanzen oder gentechnisch veränderten Organismen
gewonnen. Die meisten biologischen Arzneimittel wie Insulin, Antikörper oder
Gerinnungsfaktoren werden heute biotechnologisch hergestellt. Wie bei
Arzneimitteln mit chemisch hergestellten Wirkstoffen unterscheidet man auch bei
Biologika Originale (Referenzarzneimittel) und Nachahmerpräparate (sog.
Biosimilars).
Politischer Kontext
Im März 2024 hat die Europäische Kommission eine Mitteilung zur Stärkung der Biotechnologie und Bioproduktion in Europa veröffentlicht.
Darin wurden Maßnahmen skizziert, um Forschung und Innovation zu fördern und
die regulatorischen Prozesse für eine Vielzahl von Biotechnologien in der EU zu
vereinfachen. Im November 2024 präsentierten Dänemark und Finnland, unterstützt
unter anderem durch Deutschland, eine Information,
in der sie die Kommission auffordern, regulatorische Hürden für Biotechnologie
sektorenübergreifend anzugehen.
Im Januar 2025 legte die Kommission den „Kompass
für Wettbewerbsfähigkeit“ vor, der das Potenzial von Biotechnologien und
Biowissenschaften für die Wettbewerbsfähigkeit der EU herausstellt. Insbesondere
für die Pharmaindustrie, die Landwirtschaft, den Energiesektor sowie für
Lebens- und Futtermittel.
Der neue europäische Rechtsakt für Biotechnologie soll zukünftig
einen zukunftsorientierten Rahmen bieten, der Innovationen in Bereichen wie der
Bewertung von Gesundheitstechnologien und klinischen Prüfungen begünstigt und
ganz allgemein das Potenzial nutzt, das die Biotechnologie für die EU-Wirtschaft
bietet.
Befassung im Europäischen Parlament
Im Europäischen Parlament befassen sich derzeit zwei
Ausschüsse mit der Vorbereitung des geplanten Biotech Acts. Im Ausschuss für
Industrie, Forschung und Energie (ITRE) ist Hildegard Bentele (EVP, DE) für den Initiativbericht verantwortlich. Ziel sei es, so der Bericht, Innovation und
Wettbewerbsfähigkeit der EU in diesem Sektor zu stärken, regulatorische Hürden
abzubauen und Forschungsergebnisse besser in die Praxis zu überführen.
Vorgeschlagen werden unter anderem ein „Chief Biotechnology Officer“, ein
einheitlicher Rahmen für klinische Studien, regulatorische Sandboxes sowie ein
Biotech-Omnibus zur Vereinfachung gesetzlicher Vorgaben.
Parallel dazu erarbeitet der SANT-Ausschuss unter der
Leitung von Margarita de la Pisa Carrión (PfE, ES) einen eigenen
Initiativbericht zu biotechnologischen und gesundheitsbezogenen Aspekten. In
einer Aussprache am 9. April wurde insbesondere die Bedeutung von Forschung und
Weiterbildung im Bereich mRNA-Technologien hervorgehoben. Europa müsse seine
Führungsrolle in der Forschung behaupten, zugleich jedoch Rückstände bei der
Anwendung aufholen. Wirtschaftliche Interessen sollen dabei mit ethischen Maßstäben
und gesellschaftlichem Nutzen in Einklang stehen.
Ausblick
Aus Sicht der deutschen Sozialversicherung sind die
Bestrebungen der EU, die Biotechnologie zu fördern, um die medizinische
Versorgung zu verbessern und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten,
nachvollziehbar. Dabei müssen neben industriepolitischen Zielen zentrale
Prinzipien wie Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Finanzierbarkeit sowie ein
patientenorientierter Innovationsbegriff im Mittelpunkt stehen. Mit diesem
Blick wird die DSV das politische Verfahren begleiten.