Stress am Arbeitsplatz kostet Milliarden – was sind die Folgen?

JA – 05/2025

Erstmals wurden in einer europäischen Studie die wirtschaftlichen Folgen von Stress am Arbeitsplatz beziffert. Die Studie des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI) beleuchtet die gravierenden finanziellen Konsequenzen psychosozialer Arbeitsbelastungen für die Europäische Union (EU). Besonders alarmierend: Durch belastende Arbeitsbedingungen verursachte Depressionen führen jährlich zu Kosten von über 100 Milliarden Euro, wobei Arbeitgeber durch Arbeitsausfälle mehr als 80 Prozent der finanziellen Lasten tragen.

Risikofaktoren am Arbeitsplatz

Die Studie identifiziert fünf zentrale psychosoziale Risikofaktoren am Arbeitsplatz, die einen erheblichen Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben. Dazu zählen eine hohe Arbeitsbelastung bei geringer Autonomie, überlange Arbeitszeiten von mehr als 55 Stunden pro Woche, mangelndes Vertrauen in die Arbeitsplatzsicherheit, ein Ungleichgewicht zwischen Arbeitsaufwand und Belohnung sowie Mobbing am Arbeitsplatz. Diese Faktoren unterstreichen die Notwendigkeit eines verstärkten politischen und unternehmerischen Handelns zum Schutz der Beschäftigten und zur Förderung eines gesunden Arbeitsumfelds.

Gesamtkosten durch psychosoziale Risiken

Besonders betroffen sind Frankreich, Belgien, Finnland und die Niederlande – hier fallen die Kosten für Depressionen pro 100.000 Beschäftigte besonders hoch aus und liegen zum Teil über 16 Millionen Euro pro 100.000 Beschäftigte. Die Studie zeigt auch, dass Arbeitgeber den größten Teil der wirtschaftlichen Last tragen, indem sie für Arbeitsfälle aufkommen müssen. Psychosoziale Belastungen führen nicht nur zu krankheitsbedingten Fehlzeiten, sondern auch zum sogenannten Präsentismus. Präsentismus ist ein Zustand, in dem Beschäftigte trotz schlechter psychischer und physischer Gesundheit zur Arbeit erscheinen, aber ihre Leistungsfähigkeit deutlich reduziert ist. Laut dem Bericht kam es im Jahr 2015 zu einer signifikanten Zunahme von Arbeitsunfällen, die zu über 10.000 Todesfällen und einem Verlust von 400.000 Lebensjahren durch arbeitsbedingte Erkrankungen führten.

Unterschiede von psychosozialen Risiken innerhalb der EU

Unsichere Arbeitsverhältnisse und hohe berufliche Belastung sind die größten psychosozialen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In der EU zeigen sich deutliche Unterschiede bei den wirtschaftlichen Belastungen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Folge von psychosozialen Arbeitsbelastungen. Länder aus Zentral- und Osteuropa tragen höhere Kosten, während westliche Länder weniger betroffen sind – besonders bei arbeitsbedingten Schlaganfällen. Des Weiteren gibt es signifikante Geschlechterunterschiede. Frauen sind stärker durch krankheitsbezogene Fehlzeiten und Präsentismus betroffen, während die Selbstmordrate bei Männern deutlich höher liegt. Lange Arbeitszeiten spielen hingegen eine geringere Rolle, möglicherweise auch durch die erfolgreiche Einführung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie.

Ausblick

In Zeiten, in denen wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit zunehmend die politische Ausrichtung dominieren, darf der Schutz der sozialen Rechte nicht in den Hintergrund geraten. Die aktuelle Studie liefert neue Impulse für eine kritischere Betrachtung der Arbeitswelt und der Rolle der Sozialpolitik in Europa. Die Prävention psychosozialer Risiken muss stärker in den Fokus rücken, um langfristige Schäden für die Beschäftigten und die Wirtschaft zu vermeiden.