Gerät der Datenschutz auf Abwege?
EU-Kommission schlägt Daten-Governance-Verordnung vor.
Dr. S-W – 03/2021
Auf
Fachkongressen hört man gelegentlich einen scherzhaften Vergleich über den
Umgang mit persönlichen Daten. Wem, so lautet die Frage, gehören meine Daten?
In den USA dem Markt. In China der Gesellschaft. Und in Europa mir selbst.
Jetzt ist Europa
auf gutem Weg, dem amerikanischen Vorbild zu folgen. Jedenfalls zeigt der
Entwurf der EU-Kommission einer „Daten-Governance-Verordnung“ vom 25. November
2020, wohin die Reise geht. Als horizontales Regelwerk schreibt sie die
Grundsätze zur Zweit- und Wiederverwertung geschützter Daten einschließlich
Sozial- und Gesundheitsdaten fest, die von öffentlichen Trägern kontrolliert
werden – losgelöst von ihrem ursprünglichen Erhebungszweck. Sie lassen sich im
Wesentlichen dahingehend zusammenfassen, dass sie den Zugang Dritter zu Sozial-
und Patientendaten erleichtern. Dies kann dann zum Beispiel Forschungs- und
Entwicklungsarbeiten zugutekommen, welche die Planung und Versorgung im
Interesse der Versicherten verbessern.
Das Problem besteht darin, dass sich die
Wirkungen des Gesetzes hierauf nicht beschränken. Der Zugriff Dritter soll auch
dann möglich sein, wenn diese rein kommerzielle Zwecke verfolgen. Dabei schafft
die Verordnung zwar kein eigenständiges „Zugriffsrecht“, aber ein
Diskriminierungsverbot, was die potenziellen Datenempfänger angeht. Im
Interesse eines offenen Daten-Binnenmarktes würde die Weitergabe sensibler
Daten durch die Verwaltung die Regel, die Verweigerung des Zugangs die
begründungsbedürftige Ausnahme.
Zugleich mit der
Veröffentlichung des Verordnungsentwurfs, COM(2020) 767 final, startete die
Kommission eine öffentliche Konsultation. Die Spitzenorganisationen der
Deutschen Sozialversicherung nutzten die Gelegenheit zur Darstellung ihrer
Position. In ihrer Antwort begrüßen sie die Schaffung Europäischer Datenräume.
Nun bleibt zu klären, wer sie betreten darf, zu welchem Zweck, und welche
Sorgfaltspflichten der Nutzer erfüllen muss. Um einen vertrauenswürdigen Umgang
mit öffentlichen Daten und insbesondere Sozialdaten sicherzustellen, schlagen
die Spitzenorganisationen konkrete Änderungen zum Verordnungsentwurf vor. Die
Stellungnahme finden Sie hier.
Im Zentrum steht
der Schutz des Vertrauens der betroffenen Personen, dass die Nutzung seiner
Daten auf das zur Erfüllung des Erhebungszwecks erforderliche Minimum
beschränkt wird und sich auch eine Zweitnutzung im Rahmen eines klar gefassten
und eingrenzbaren Versorgungs- und Verwaltungsauftrags bewegt.
Offenbar plant
die Europäische Kommission nun die Veröffentlichung einer überarbeiteten Version des
Verordnungsvorschlags. Die Spitzenorganisationen werden das weitere Verfahren
aufmerksam begleiten.