Flexibilität darf angemessene Arbeitsbedingungen nicht ausschließen.

SW – 03/2021

Dies ist eines der Ergebnisse einer hochrangig besetzten Konferenz am 9. März 2021 im Rahmen der portugiesischen Ratspräsidentschaft, die sich mit den Herausforderungen, Risiken und Chancen mobiler Arbeit befasste. In vier Sitzungen wurden wesentliche Trends betrachtet und die damit einhergehenden Auswirkungen auf Berufs- und Privatleben, Arbeitsrecht und Zugang zum Sozialschutz sowie auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beleuchtet. Die Ergebnisse sollen in die Schlussfolgerungen des Rates einfließen.

Die Arbeitswelt hat sich durch die Digitalisierung verändert, neue Arbeitsformen sind entstanden. Insbesondere die Entwicklungen beim mobilen Arbeiten wurden durch die Corona-Pandemie beschleunigt. Laut einer Studie der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) zum Thema „COVID-19: Implications for employment and working life“ haben im Juli 2020 fast 50 Prozent der EU-Belegschaft ausschließlich oder teilweise in Telearbeit gearbeitet, 34 Prozent der Befragten ausschließlich von zu Hause aus (liegt nur in Englisch vor).

Der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), Guy Ryder, erinnerte daran, dass Telearbeit bereits seit Jahrzehnten in verschiedenen Formen existiert, dass aber Wachstum und die sogenannte Gig-Economy neu seien. Die Anzahl der digitalen Plattformen weltweit habe sich in den letzten zehn Jahren, d.h. nicht nur als Folge der Pandemie, verfünffacht. Es sei notwendig, die Rechte aller Arbeitnehmer unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus zu schützen. Nicolas Schmit, zuständiger EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, mahnte, angemessene Arbeitsbedingungen dürften nicht gegen Flexibilität ausgetauscht werden. Sie sollten vielmehr nebeneinanderstehen. Angemessene Arbeitsbedingungen müssten unabhängig von Organisationsmodellen der Arbeit gewährleistet werden.

Recht auf Nichterreichbarkeit

Für die Zukunft scheinen Arbeitnehmer und Arbeitgeber insbesondere Hybridsysteme zu bevorzugen, bei denen von zu Hause und im Büro gearbeitet werden kann. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben könnten hierdurch zunehmend verschwimmen. Dies könne dazu beitragen, den Druck ständiger Erreichbarkeit zu erhöhen. Es sei wichtig, einen sozialen Dialog zu führen, der zu spezifischen Rechtsvorschriften führe. Durch das von den Sozialpartnern unterzeichnete Europäische Rahmenabkommen über Telearbeit von 2002 und die Empfehlungen des Europäischen Parlaments von 2021 zum Thema „Recht auf Nichterreichbarkeit“ sei hierfür bereits eine Grundlage geschaffen worden.

Zugang zu Sozialschutz

Es sei wichtig, einen ausgewogenen Weg bei der Regulierung der neuen Arbeitsformen zu finden und einen breiten Zugang zum Sozialschutz zu ermöglichen sowie ein Gleichgewicht bei der Regulierung der Telearbeit unter Berücksichtigung der in der Pandemie gewonnenen Erfahrungen. Diese habe zu Unsicherheit und Angst von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geführt, krank zu werden oder ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen zu verlieren. Der zuverlässigste Mechanismus für ausgewogene Lösungen seien Tarifverhandlungen. Jede europäische Initiative zu Fragen des Arbeitsrechts und Sozialschutzes sollte im Dialog mit den Sozialpartnern entstehen.

Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz

Telearbeit und das Arbeiten über digitale Plattformen erschwere es, die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu überwachen. Unangemessene Arbeitsbedingungen könnten zu Risiken für die Gesundheit führen, von körperlichen Gesundheitsprobleme wie Rückenschmerzen oder Fettleibigkeit bis hin zur Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit aufgrund von Isolation, Stresssituationen oder Angstzuständen. Die Regulierung des Arbeitsmarktes in der digitalen Wirtschaft sei von grundlegender Bedeutung. Telearbeit erfordere spezifische Rechtsvorschriften, die für alle Länder gelten sollten, da die Grenzen irrelevant würden, wenn der Arbeitsplatz überall auf der Welt sein könne.

Weitere Informationen zu den Sitzungen der Konferenz und ein Dokument mit Hintergrundinformationen (beides in Englisch) finden Sie unter dem jeweiligen Link.