Plattformarbeiter bald Arbeitnehmer?
Spanien bereitet Gesetz zur Klärung des Status vor, Serbien fordert Abgaben nach.
Dr. S-W – 03/2021
Am 29. September
2020 hatte der Oberste Gerichtshof Spaniens mit Sitz im Madrid entschieden,
dass Fahrer für plattformbasierte Lieferdienste wie Deliveroo oder Glovo als
Arbeitnehmer des jeweiligen Plattformbetreibers zu gelten haben. Seitdem ist
klar, dass der Gesetzgeber reagieren muss. Weniger klar ist, wie. Nicht nur die
Betreiber bemühen sich um eine - aus ihrer Sicht - „Schadensbegrenzung“. Auch auf Seiten der
Betroffenen bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, wie es nun
weitergehen soll. Die zwei bedeutendsten spanischen Gewerkschaften CC.OO und
UGT nehmen das Urteil zum Anlass, eine Ausdehnung des Schutzes über die Fahrer
hinaus auf alle Formen von elektronischer Plattformarbeit zu fordern. Auf der
anderen Seite stehen etliche Fahrer, die selbständig bleiben und frei
entscheiden wollen, wann und für wen sie arbeiten. Sie haben sich ihrerseits in
Vereinigungen zusammengeschlossen, die größten von ihnen AAR und APRA.
Sie
insistieren darauf, ebenfalls in die zur Zeit mit Gewerkschaften und Arbeitgebern
geführten Verhandlungen der Regierung einbezogen zu werden. Im Grunde scheint
aber bereits weitgehend ein Einvernehmen erzielt worden zu sein. Dieses richtet
sich auf eine breitere Einbeziehung aller Lieferdienste in den Arbeitnehmer-Status, über die Lieferung von
Lebensmitteln hinaus auch auf die Lieferung anderer Güter. Gleichzeit deutet
aber manches darauf hin, dass sich die gesetzgeberische Initiative hierin
erschöpft und vor allem rein online-basierten Tätigkeiten (Bsp.: „clickwork“)
außen vor bleiben.
Das
Thema „Plattformarbeit“ sorgt auch in Serbien für Unruhe, wenn auch auf ganz
andere Weise. Die Zahl der Plattformarbeiter wird dort auf ca. 100.000
geschätzt. Hier geht es aber weniger die Abgrenzung, wer von ihnen abhängig und
wer selbständig beschäftigt ist. Die Mehrheit ist keines von beidem, oder
konkreter: 2/3 der Betroffenen sind schlicht nicht gemeldet, und das
verbleibende drittel hat sich als selbständig registriert. Die genannten 2/3
zahlen weder Steuern noch Sozialabgaben, wozu sie eigentlich auch als
Selbständige verpflichtet wären, jedenfalls für Rente und Gesundheit. Das fiel
schließlich auch der Steuerverwaltung auf, als sie begann, Zahlungseingänge aus
dem Ausland näher zu untersuchen.
Im Oktober 2020 fing sie dann an, rückwirkend
bis zu 4 Jahre Beiträge nachzufordern. Als Reaktion hierauf gründeten die
Plattformarbeiter umgehend eine Vereinigung und schickten einen „Brandbrief“ an
die Regierungsspitzen. Zunächst wollen sie einen Verzicht auf Nachforderungen
erwirken, solange, bis ihr Status geklärt ist. Denn die „Freiheit“ der
Selbständigen hat in Serbien ihren Preis. Nicht nur zahlen sie das Doppelte an
Sozialabgaben wie ihre beschäftigten Kollegen, da sie für den Arbeitgeberanteil
selbst aufkommen müssen. Außerdem haben sie keinen Anspruch auf Krankheits-,
Mutterschafts- und Arbeitslosengeld. Der Finanzminister ließ die säumigen
Steuer- und Abgabenzahler allerdings wissen, dass sie die Ausstände zahlen
müssen - unabhängig von ihrem künftigen Status. Es geht um viel: Die Rückstände
können sich auf umgerechnet bis zu 2.000 EUR pro Jahr summieren – das
entspricht fünf Monats-Medianlöhnen.