Für die gemeinsame Bewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten hat sich der Rat auf einen Vorschlag verständigt.

UM – 04/2021

Fast dreieinhalb Jahre hat es gedauert. Die Europäische Kommission hatte am 31. Januar 2018 einen Vorschlag über ein Gesetz zur Zusammenarbeit bei der Bewertung von Gesundheitstechnologien (HTA) und zur Änderung der Patientenrichtlinie (COM(2018) 51 final) vorgelegt. Eine freiwillige Kooperation der HTA-Behörden sei nicht effizient, die gemeinsame Bewertungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten erforderlich. Am 24. März haben sich nun die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) im COREPER I auf ein gemeinsames Mandat für die weiteren Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament verständigt. Das ist ein entscheidender Schritt. 

Nachdem die deutsche Ratspräsidentschaft mit der Aushandlung des EU-Haushalts, dem Partnerschaftsvertrag mit dem Vereinigten Königreich im Zusammenhang mit dem Brexit und der Corona-Pandemie alle Hände voll zu tun hatte, war es nun an den Portugiesen, einen vorläufigen Schlussstrich unter die Verhandlungen im Rat zu ziehen. Auf Basis der deutsch-französischen Vorarbeiten ist es gelungen, die strittigen Punkte auf dem Weg zu einem Konsens aus dem Weg zu räumen.

Die Grundzüge des gefundenen Kompromisses beinhalten:

  • Die Arbeit der gemeinsamen Bewertung obliegt einer Koordinierungsgruppe aus Expert*innen eines jeden Mitgliedstaates. Die Rolle der Kommission ist administrativ. Sie legt die Verfahrensgrundsätze fest, erlässt Umsetzungsrechtsakte und verantwortet die Veröffentlichung der Ergebnisse.
     
  • Eine Nutzenbewertung ist nicht vorgesehen, diese bleibt – wie die Preis- und Erstattungsentscheidungen - Sache der Mitgliedstaaten. Die gemeinsame Arbeit beschränkt sich ausschließlich auf klinische Bewertungen, die evidenzbasiert und im Konsens erfolgen. Wo kein Konsens möglich ist, wird nach dem Mehrheitsprinzip entschieden. Was dies konkret heißen wird, ist in den weiteren Verhandlungen noch festzulegen. 
     
  • Die Mitgliedstaaten dürfen ergänzende klinische Analysen durchführen, die für ihr nationales Verfahren zur Bewertung von Gesundheitstechnologien erforderlich sind; daneben auch nicht-klinische Bewertungen. Einzelne Mitgliedstaaten können auch freiwillig kooperieren und weitere Produkte bewerten, zum Beispiel bei Impfstoffen oder bei Medizinprodukten höherer Klassen und In-vitro-Diagnostika der Klasse D, die nicht in den Anwendungsbereich der geplanten Verordnung fallen.
     
  • Die Hersteller liefern ihre Daten und Analysen nur einmal und zwar an eine europäische Internetplattform. Mitgliedstaaten, die ergänzende Analysen oder nicht-klinische Bewertungen durchführen wollen, können weitere Informationen anfragen.
     
  • Um den bürokratischen Aufwand in den ersten Jahren bewältigen zu können, sieht das Ratsmandat Stufen vor: In den ersten drei Jahren sollen nur Arzneimittel mit neuen aktiven Substanzen für Krebstherapien bewertet werden. Danach kann die Kommission den Anwendungsbereich auf Arzneimittel für seltene Erkrankungen („Orphans“)  und auf Arzneimittel für neuartige Therapien wie Zell- oder Gentherapien (ATMPs) erweitern. Weitere Erweiterungsschritte soll es nach fünf respektive acht Jahren geben und zu bis zu 36 gemeinsamen Nutzenbewertungen pro Jahr führen.
     
  • Die Auswahl von Medizinprodukten für gemeinsame Bewertungen erfolgt auf Empfehlung der Koordinierungsgruppe über entsprechende Umsetzungsrechtsakte der Kommission und gegebenenfalls aufgrund der Besonderheiten des Medizinproduktemarktes erst nach Markteintritt.
     

Der Trilog dürfte bald aufgenommen werden, das Interesse an einem guten Abschluss ist groß. Denn die Verordnung ist nicht nur ein zentraler Baustein der Arzneimittelstrategie, des Krebsplanes und der Europäischen Gesundheitsunion. Mit ihr zeigt sich auch, ob auf europäischer Ebene zu gesundheitspolitischen Fragen überhaupt Handlungsfähigkeit herzustellen ist oder nicht.