Europa schafft Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz
Auch die öffentliche Verwaltung ist betroffen.
Dr. S-W – 05/2021
Am
19. Februar 2020 hatte die Europäische Kommission ein Weißbuch „Zur Künstlichen
Intelligenz“ veröffentlicht, COM (2020) 65. Hierzu nahm die Europavertretung der
Deutschen Sozialversicherung (DSV) im Rahmen einer öffentlichen Konsultation am
11. Juni 2020 ausführlich Stellung, diese
finden Sie hier.
Nun
hat am 21. April die EU-Kommission - als Teil eines Pakets - einen Verordnungsvorschlag zur Künstlichen Intelligenz (KI) vorgelegt. Das Regelwerk ist sehr detailliert und
kann auch für die öffentliche Verwaltung weitreichende Auswirkungen haben.
KI kann mit erheblichen Risiken einhergehen,
nicht zuletzt auch für die Verwirklichung der Grundrechte und den Grundsatz der
Gleichbehandlung. Daher ist es wohl auch kein Zufall, dass im
Verordnungsentwurf der umstrittene Komplex der „automatischen
Gesichtserkennung“ ein hoher Stellenwert eingeräumt wird.
Die Kommission hat ihren schon im Weißbuch
entwickelten „risikoorientierten“ Regulierungsansatz weiter ausgearbeitet und
unterscheidet nun zwischen vier Stufen. Aus Sicht der Sozialversicherung sind
die oberen beiden Risikostufen von besonderem Interesse.
Die höchste
Risikostufe betrifft solche
KI-Anwendungen, deren Einsatz rechtlich/gesellschaftlich als unakzeptabel
angesehen wird und die daher verboten werden sollen. Sie beziehen sich vor
allem auf „Social Scorings“. Die Formulierungen sind im Einzelnen nicht sehr
präzise und werfen die Frage auf, bis zu welchem Grad und zu welchem Zweck die
Erstellung von Persönlichkeitsprofilen noch zulässig ist.
Den Schwerpunkt
des Verordnungsvorschlags bilden jedoch solche Anwendungen, die „nur“ als „hohes
Risiko“ angesehen werden. Sie sind auch in Zukunft erlaubt, unterliegen
allerdings einem strengen Korsett, unter anderem einer Reihe von Dokumentationspflichten.
Sie sollen es den so genannten „Marktaufsichtsbehörden“ erlauben, die
Einhaltung der Regeln der neuen Verordnung zu kontrollieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass
KI-Anwendungen auch einer strikten Kontrolle am Maßstab europäischer
Grundrechte unterworfen werden, u.a. dem Verbot nicht gerechtfertigter
Diskriminierungen. Der Ausgang solcher zwingend notwendig werdenden Prüfungen
lässt sich schwer vorhersagen.
Es kommt hinzu, dass der Vorschlag von einem
sehr weit gefassten Begriff der Künstlichen Intelligenz ausgeht. Er würde wohl
auch schon viele in der Vergangenheit eingesetzte Programme erfassen. Indirekt
hat dies Binnenmarktkommissar Thierry Breton bestätigt mit der Formulierung
„Künstliche Intelligenz begleitet uns seit Jahrzehnten, hat nun aber durch
gewachsene Rechnerleistung neue Dimensionen erreicht“.
Die Begleitmitteilung vom selben Tag „Für einen
europäischen Ansatz bei Künstlicher Intelligenz“, COM (2021) 205 final, verweist
auf die herausragende Rolle von Künstlicher Intelligenz. Zuletzt habe diese ihr
Potenzial im Kampf gegen COVID-19 bewiesen. Die EU plane, jährlich 1 Mrd. EUR
in diese Technologie zu investieren. Hinzu kämen jährlich 20 Mrd. vom privaten
Sektor und den Mitgliedstaaten, unterstützt durch den europäischen Aufbauplan.
Ein enger Zusammenhang bestehe zur europäischen Datenstrategie einschließlich
des vorgeschlagenen Daten-Governance Akts – KI könne nur gelingen, wenn ein Zugang
zu Daten bestehe.
Als ein weiterer Teil des KI-Pakets revidierte
die Kommission den im Jahr 2018 verabschiedeten Koordinierten Plan zu
Künstlicher Intelligenz, s. COM
(2021) 205 endg. Er fordert die Mitgliedstaaten auf, in KI zu investieren,
einschließlich Infrastruktur und „Datenräume“. Ein europäisches Netz von
„Exzellenzzentren“ soll Forschung und Innovation unterstützen. Schließlich soll
die EU Vorreiter in strategischen Sektoren werden, darunter auch Gesundheit sowie
dem öffentliche Sektor als Ganzes.