Risiko eines Schlaganfalls oder einer Herzerkrankung steigt.

SW – 05/2021

Wer 55 Stunden die Woche oder mehr arbeitet, hat ein deutlich höheres Risiko, an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu sterben. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationale Arbeitsorganisation (IAO) am 17. Mai 2021 veröffentlichte, gemeinsame Studie.

Beide Organisationen schätzen in dieser ersten globalen Analyse der Verluste an Leben und Gesundheit im Zusammenhang mit langen Arbeitszeiten, dass im Jahr 2016 398.000 Menschen an einem Schlaganfall und 347.000 an Herzkrankheiten starben, weil sie mindestens 55 Stunden oder mehr pro Woche gearbeitet hatten. Zwischen 2000 und 2016 stieg die Zahl der Todesfälle durch Herzerkrankungen aufgrund langer Arbeitszeiten um 42 Prozent, durch Schlaganfälle um 19 Prozent.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass wöchentliche Arbeitszeiten von 55 Stunden oder mehr pro Woche das Risiko an einem Schlaganfall oder einer Herzerkrankung zu sterben erheblich erhöhen verglichen mit dem Risiko bei einer 35-40 Stunden Woche. Neben physiologischen Reaktionen des Körpers auf psychosozialen Stress durch lange Arbeitszeiten spielen dabei häufig auch gesundheitsschädliche Verhaltensreaktionen auf Stress eine Rolle, wie zum Beispiel Tabak- und Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung, körperliche Inaktivität und Schlafstörungen.

Eine Arbeitszeit von 55 oder mehr Stunden pro Woche ist mit einem geschätzt 35 Prozent höheren Risiko für einen Schlaganfall und einem 17 Prozent höheren Risiko, an einer koronaren Herzerkrankung zu sterben, verbunden. Dabei steigt die Anzahl der Menschen mit langen Arbeitszeiten, diese betrage inzwischen 9 % der gesamten Weltbevölkerung.

Lange Arbeitszeiten seien für etwa ein Drittel der gesamten geschätzten berufsbedingten Krankheitslast verantwortlich und werden als der Risikofaktor mit der größten berufsbedingten Krankheitslast angesehen. Damit rücke ein relativ neuer und eher psychosozialer berufsbedingter Risikofaktor für die menschliche Gesundheit in den Blickpunkt.

Die COVID-19-Pandemie beschleunigt diese Tendenz. Sie hat die Art, wie viele Menschen arbeiten, erheblich verändert und Telearbeit in vielen Branchen zur Norm gemacht, wobei häufig die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit verwischen. Viele Unternehmen seien gezwungen gewesen, den Betrieb zurückzufahren oder zu schließen, um Geld zu sparen. Die weiterhin Beschäftigten hätten am Ende häufig länger arbeiten müssen. Kein Job sei, so Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, das Risiko eines Schlaganfalls oder einer Herzerkrankung wert.

Empfehlungen

Regierungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten zusammenarbeiten, um sich auf Grenzen zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten zu einigen. Die Regierungen werden aufgefordert, Gesetze und Richtlinien einzuführen und durchzusetzen, die obligatorische Überstunden verbieten und maximale Arbeitszeitgrenzen gewährleisten. Durch Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerverbänden könnte die Arbeitszeit flexibler gestaltet werden, jedoch nur bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Höchstarbeitszeit. Denkbar seien auch, Modelle einer Arbeitszeitteilung, um sicherzustellen, dass die Anzahl geleisteter Arbeitsstunden nicht über 55 oder mehr Stunden pro Woche steige.

Hintergrund

Die Analyse stützt sich auf Daten aus mehr als 2.300 Erhebungen, die zwischen 1970 und 2018 in 154 Ländern erhoben wurden und 37 Studien über koronare Herzerkrankungen mit mehr als 768.000 Teilnehmern sowie 22 Studien zum Schlaganfall mit mehr als 839.000 Teilnehmern. Die Todesfälle sind bei Männern im Verhältnis zu Frauen besonders auffällig, was unter anderem daran liegen kann, dass in vielen Regionen der Welt die Hausarbeit nach wie vor von den Frauen übernommen wird, diese jedoch nicht in den Statistiken erfasst wurde.