Anhörung der Sozialpartner: Kommission startet zweite Phase.

Dr. S-W – 06/2021

Die EU-Kommission hat es sich spätestens mit dem Amtsantritt ihrer Präsidentin von der Leyen zum Ziel gesetzt, die Arbeitsbedingungen der Plattformarbeiter zu verbessern. Vorher will sie in einem zweistufigen Verfahren die Sozialpartner anhören. Die erste Stufe wurde am 7. April abgeschlossen.

Die Gewerkschaftsseite sieht weitere europäische Initiativen durchaus positiv, während sich die Arbeitgeberseite eher zurückhaltend äußerte. Auf der Grundlage der eingegangenen Antworten gelangte die Kommission zur Überzeugung, dass Handlungsbedarf mit dem Ziel grundlegender europaweit geltender  Arbeits- und Sozialstandards besteht und hat hierzu am 15. Juni mit Hilfe des Konsultationsdokuments C(2021) 4230 final die zweite Stufe eingeleitet. Sie möchte zu mehreren Themen-Komplexen die Meinung einholen, darunter zur  Bestimmung des Beschäftigungsstatus, zum Zugang zum Sozialschutz, zur Transparenz der eingesetzten Algorithmen und zum anwendbaren Recht in grenzüberschreitenden Fällen. Auch die Frage des Instruments wird aufgeworfen; zur Auswahl stünden eine Richtlinie oder eine Empfehlung. Ziel der Kommissionsinitiative ist die Garantie angemessener Arbeitsbedingungen und Sozialstandards für Plattformarbeitende.

Ein zentrales Problem auf dem Weg zu einem angemessenen Schutz ist die Bestimmung des Beschäftigungsstatus. In aller Regel wird der Status der Selbständigkeit gewählt, so dass schätzungsweise 93% aller Einkünfte aus Plattformarbeit auf diesem Wege erzeugt werden. Das Risiko einer falschen Einordnung sei hoch. Die Initiative soll daher dazu beitragen, den Status von Plattformarbeit zu klären. 

Die Kommission respektiert dabei – im Einklang mit den Wünschen der Sozialpartner - die nationale Kompetenz zur Definition des „Arbeitnehmers“. Insbesondere hat sie nicht die Absicht, auf EU-Ebene einen „Dritten Status“ auf europäischer Ebene zu schaffen, irgendwo zwischen abhängiger und selbständiger Beschäftigung. Allerdings versteht sich die Initiative durchaus als eine Art Wegweiser, der die Mitgliedstaaten anleitet, wie sie im Einzelfall zu einer korrekten Einstufung gelangen.

Hierzu präsentiert die Kommission mehrere mögliche Werkzeuge, unter anderem:


  • Eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses im Fall von Plattformarbeit.
     
  • Ein leicht zugängliches (Verwaltungs-) Verfahren zur Klärung des Beschäftigungsstatus.
     

Aufschlussreich ist die Überlegung, den im Einzelfall über den Status entscheidenden Stellen einen  europaweit gültigen Kriterien- oder Indikatorenkatalog auf den Weg zu geben. Je nachdem, wie verbindlich ein solcher Katalog und seine Elemente sind, würde dann eben doch in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten bei der Unterscheidung zwischen abhängiger und selbständiger Beschäftigung eingegriffen.

Neben dem Beschäftigungsstatus steht der Umgang mit Informationsdefiziten im Fall der oft grenzüberschreitenden Plattformarbeit im Fokus. Es wird geschätzt, dass ein Drittel der EU-Plattform-basierten Arbeit grenzüberschreitend erbracht wird. Hier könne überlegt werden, von den Plattformen mehr Transparenz einzufordern, wobei wohl eher an Berichtspflichten zu statistischen Zwecken gedacht ist.

Der nächste Schritt in dieser Phase ist die Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern - wofür die Zeichen eher schlecht stehen - oder die Vorlage eines Kommissionsvorschlags bis Ende 2021.