Rat verabschiedet Schlussfolgerungen zur Telearbeit
Chancen und Risiken hybrider Arbeitsmodelle.
SW – 06/2021
Die Arbeitswelt
hat in den letzten Jahren tiefgreifende Veränderungen erfahren. Nach Einschätzungen der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound)
wird jeder fünfte europäische Beschäftigte nach der Pandemie regelmäßig oder
gelegentlich, im Rahmen eines hybriden Modells, Telearbeit verrichten. Die
Präferenzen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deuten ebenfalls in diese
Richtung. Bei der Erhebung der Daten zum Eurofound-Bericht „Living,
working and COVID-19“ im Juli 2020 gaben 78 Prozent der Befragten an,
zumindest gelegentlich von zu Hause aus arbeiten zu wollen, auch wenn keine
COVID-19-Beschränkungen bestünden.
Mit Blick auf den massiven Anstieg der
Telearbeit unterstreicht der Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ die Notwendigkeit, sich mit dem Potenzial,
aber auch mit den Risiken der Telearbeit zu befassen und hat hierzu am 15. Juni
2021 Schlussfolgerungen verabschiedet.
Chancen und Risiken der Telearbeit
Telearbeit
bietet eine Reihe von Vorteilen, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Beispiel die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, mehr Autonomie und
die Verringerung des Zeitaufwands für das Pendeln zum Arbeitsplatz. Für Arbeitgeber kann sie
Produktivität und Effizienz fördern, zu Einsparungen bei den Kosten
für Gebäude und Büros führen und eine ergebnisorientierte Arbeitsorganisation
fördern. Telearbeit kann jedoch auch erhebliche Risiken mit sich bringen: eine übermäßige
Kontrolle durch die Überwachung der Nutzung der IT-Ausrüstung, das Verschwimmen
der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben, eine höhere Arbeitsintensität,
soziale und berufliche Isolation, ein Mangel an physischer Aktivität,
psychosoziale und Muskel-Skelett-Erkrankungen, um nur einige Beispiele zu
nennen, die die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer am Arbeitsplatz berühren.
Aktionspläne und Strategien
Der Rat
ruft daher die Mitgliedstaaten auf, sich mit den Chancen und Risiken der
Telearbeit zu befassen und die Ausarbeitung nationaler Aktionspläne und Strategien, bzw. die Aufnahme des Themas in bestehende oder künftige
Strategien, zu erwägen. Politiken zur Regelung der Telearbeit oder die Herausgabe
von Leitlinien, zum Beispiel in Bezug auf die Organisation und Überwachung der
Arbeitszeit, Risiken im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Frauen und
Männern oder Beihilfen zur Deckung der Kosten der Telearbeit, sollten geprüft
werden. Aber auch Initiativen zur Stärkung der Arbeitsaufsicht und der
Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz seien angesichts der mit
der Telearbeit einhergehenden Risiken zu überlegen.
Austausch bewährter Verfahren
Der Austausch bewährter Verfahren könne zu einer ausgewogenen Nutzung
von Telearbeit, insbesondere von hybriden Telearbeitsmodellen, beitragen und
die Einführung solcher Verfahren durch die Arbeitgeber unterstützen. Die Kommission
wird aufgefordert, diesen Austausch zu unterstützen sowie die Forschung über die
Auswirkungen der Telearbeit auf die Erholung nach der Pandemie zu fördern.
Hierbei soll auch untersucht werden, inwieweit geltendes Sozial- und
Arbeitsrecht in der EU menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Telearbeiter
gewährleistet und ihrer besonderen Situation gerecht wird.
Recht auf Nichterreichbarkeit
Im
Hinblick auf ein Recht auf Nichterreichbarkeit nimmt der Rat die Sozialpartner
in die Pflicht und fordert diese auf, für die Bedeutung einer angemessenen
Regulierung auf Branchen- und Unternehmensebene und die Einhaltung der
geltenden Arbeitszeitvorschriften zu sensibilisieren und einzutreten, um Telearbeitern
eine wirksame Nichterreichbarkeit zu ermöglichen. Die Sozialpartner werden ersucht,
zum Wohlergehen und zur Sicherheit und dem Gesundheitsschutz von Telearbeitern,
unter anderem im Hinblick auf ein Recht auf Nichterreichbarkeit, sowie zu
angemessenen Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätzen beizutragen.