
Arbeiten in Europa
Unangemeldete Pflegearbeit stellt die EU vor Herausforderungen.
UM – 04/2025
In der Europäischen Union (EU) gibt es ein beträchtliches Maß an bezahlter Pflege- und Betreuungsarbeit. Nach Schätzungen der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) erbringen etwa 6,8 Millionen Erwerbstätige Pflege- oder Haushaltsdienstleistungen, ohne ordentlich beim Finanzamt und den Sozialkassen angemeldet zu sein; 2,1 Millionen davon speziell im Pflegesektor. Ein aktueller Bericht von Eurofound greift das Thema auf und hat Lösungsvorschläge zusammengetragen.
Stark betroffen: Frauen mit Migrationshintergrund
Frauen mit Migrationshintergrund sind die größte Personengruppe, die unangemeldete Pflegearbeit erbringt. Diese Frauen tragen ein hohes Risiko, schlechten Arbeitsbedingungen und Ausbeutung ausgesetzt zu sein. Die Gründe dafür sind kultureller, bürokratischer oder wirtschaftlicher Natur – mangelnde Systemkenntnis, ein niedriges Bildungsniveau, ein fehlendes gesetzliches Aufenthaltsrecht. Für reguläre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist die Pflegearbeit hingegen oft einfach nur ein Zweitjob zur Aufbesserung des individuellen Einkommens.
Ausmaß schwer zu schätzen
Das tatsächliche Ausmaß der nicht angemeldeten Pflege- und Betreuungsarbeit ist schwierig zu messen. Handelt es sich um Pflegetätigkeiten, sind die Grenzen zwischen nicht angemeldeter Pflegearbeit und informeller Pflege sowie direkter und indirekter Pflegearbeit nicht klar zu ziehen. Denn neben den Pflegetätigkeiten wird häufig auch emotionale Unterstützung, Haus- und Gartenarbeit bis hin zu Fahrdiensten und Babysitting abgefragt. Geschätzt wird, dass der Anteil an Schwarzarbeit im Pflegesektor nahezu ein Drittel der Beschäftigungsverhältnisse ausmacht.
Systemrelevante Arbeit, schlechte Arbeitsplatzqualität
Nicht angemeldete Pflegearbeit ist illegal. Neben der Besteuerung wird die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen umgangen. Verfügt die Pflegekraft über keinen Sozialschutz aus anderer Quelle, steht sie im Falle eines Unfalls oder einer Krankheit schutzlos da und hat weniger Rentenansprüche im Alter. Arbeitsrechte wie bezahlter Urlaub können oft nicht geltend gemacht werden, die finanzielle Unsicherheit ist groß. Beschäftigte im Pflegebereich zählen zu den systemrelevanten Arbeitskräften. Doch die persönliche Situation der Arbeitskräfte und die schlechten Arbeitsbedingungen schaffen einen Teufelskreis, der zu Lasten von Wohlbefinden und Gesundheit geht und der nur schwer zu durchbrechen ist. Die verborgene Natur der nicht angemeldeten Pflegearbeit schließt Hilfe durch formelle Arbeitnehmervertretungen oder Gewerkschaften nahezu aus.
Empfehlungen
Nach Ansicht der Autorinnen und Autoren lässt sich ein erfolgreicher Umgang mit nicht angemeldeter Pflegearbeit mit fünf zentralen Begriffen „5R-Ansatz“ beschreiben: Anerkennung (respect), Reduzierung (reduction), Umverteilung (redistribution), Belohnung (remuneration) und die Vertretung aller Erscheinungsformen der Pflegearbeit in Politik, Sozialpartnerschaft und Öffentlichkeit (representation). Zudem geben sie eine Reihe von Empfehlungen ab. Diese beziehen sich unter anderem darauf,
- die Ursachen nicht angemeldeter Pflegearbeit zu bekämpfen, zum Beispiel durch ein größeres, öffentlich finanziertes Pflegeangebot, innovative Kombinationen aus formeller und informeller Pflege und einem Rechtsrahmen, der Privathaushalten hilft, ihre Rolle als Arbeitgeber auszuüben,
- insbesondere Arbeitnehmerinnen mit Migrationshintergrund angemessen in die EU-Arbeitsmärkte zu integrieren,
- einen Referenzrahmen für die erforderlichen Qualifikationen in verschiedenen Pflegeberufen zu schaffen und
- umfassende Bestimmungen zur Gleichstellung der Geschlechter zu erlassen, um die strukturelle Ungleichheit in der Pflegearbeit zu beseitigen.
Erforderlich seien politische Veränderungen, aber auch ein grundlegender Wandel der gesellschaftlichen Einstellungen und kulturellen Normen.