Europäische Gesundheitsunion
Der Rat hat sich positioniert – die Triloge können beginnen.
UM – 08/2021
Nach der Einigung zum Dossier zur Erweiterung
des Mandats zur Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) vom 16. Juni dieses
Jahres (Verhandlungsmandat
EMA) liegen seit Ende Juli nun auch die Ratsmandate für eine Verordnung zu
schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Aufgabenerweiterung
des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten
(ECDC) vor.
Ausrufung einer Pandemie nur mit qualifizierter Mehrheit
Der Verordnungsvorschlag zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden
Gesundheitsgefahren zielt darauf, eine koordinierte Reaktion auf Gefahren durch
übertragbare Krankheiten, aber auch auf Gefahren chemischen oder biologischen
Ursprungs zu gewährleisten. Im Zentrum des Vorschlags
steht die Ermächtigung der Europäischen Union (EU), den Pandemiefall selbst
ausrufen zu können. Die Entscheidung hierzu soll nach dem Willen der Länder
aber durch einen Rechtsakt mit 2/3-Mehrheit erfolgen (siehe Verhandlungsmandat
grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren). Die Kommission meint, dies mit
einem Durchführungsrechtsakt regeln zu können.
Länder wollen Ko-Vorsitz im Entscheidungsgremium
Gebremst hat der Rat auch bei den Regelungen
zur Krisenkoordinierung. Im Koordinierungsgremium – dem Gesundheitssicherheitsausschuss
(HSC) – wollen die Länder eine gewichtigere Rolle spielen, als es der Vorschlag
der Kommission vorsieht. Geht es nach ihrem Willen, wird im HSC der Vorsitz
zwischen Kommission und Rat geteilt. Zudem sollen die Entscheidungen nicht nur
mit einfacher, sondern mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden. Schwierige
Fragestellungen, so zum Beispiel zur gemeinsamen Beschaffung, sollen zu einem
späteren Zeitpunkt, gegebenenfalls im Verfahren zur neuen Krisenbehörde HERA (European Health
Emergency Response Authority),
weiter diskutiert werden.
Beim Datenschutz wurde nachgeschärft
Das ECDC bekommt den Auftrag, die
Mitgliedstaaten bei der Bewertung ihrer Vorsorgekapazitäten und Aufstellung
eigener Notfallpläne zu unterstützen und diese in einem EU-Vorsorge- und
Reaktionsplan europäisch zusammenzuführen. Mit einem digitalen
epidemiologischen Überwachungssystem soll das ECDC zu einem medizinischen
Notfallzentrum werden. Das ECDC soll künftig auch Empfehlungen aussprechen
können. Bislang war es auf wissenschaftliche Expertise beschränkt. Die Empfehlungen
sind zwar nicht rechtsverbindlich, schaffen aber im Zweifel politische Erklärungsnot.
Die Änderungen des Rates (siehe Verhandlungsmandat
ECDC) an den ursprünglichen Vorschlägen umfassen neben verschärften Bestimmungen
für den Umgang mit personenbezogenen Daten hauptsächlich konkretisierende
Zuständigkeiten.
ECDC soll nationale Krisenvorkehrungen nur „begutachten“
Unter dem Eindruck der Pandemie sind die Ratsmitglieder
jedoch über den Vorschlag der Kommission für eine Task Force des ECDC, welche
die Mitgliedstaaten im Krisenfall und bei der Vorbereitung auf eine gesundheitliche
Krise unterstützen soll, hinausgegangen. Die Mitgliedstaaten sympathisieren damit,
den Einsatz der Task Force nicht nur auf Krisenzeiten zu beschränken, um die Mitgliedstaaten auf Anfrage bei der
Bereitschafts- und Reaktionsplanung und bei der Reaktion auf den Ausbruch
übertragbarer Krankheiten zu unterstützen. Auf der Bremse standen die
Mitgliedstaaten hingegen beim Prüfrecht des ECDC hinsichtlich der nationalen Pandemiepolitik.
Hier hat man sich auf eine „schwächere“ Formulierung geeinigt. Nationale
Pandemiepläne und Notfallkapazitäten sollen vom ECDC nicht bewertet, sondern
lediglich begutachtet werden.
Nächste Etappe: HERA
Die geeinten Verhandlungspositionen des Rates
sind ein wichtiger Meilenstein zur verbesserten Koordination und Prävention von
gesundheitlichen Notlagen in Europa. Die Änderungswünsche des Rates machen einerseits
deutlich, dass die Mitgliedstaaten die ihr zustehenden Kompetenzen für die
Gestaltung der Gesundheitsschutzes selbstbewußt einfordern. Andererseits ist der
Schock der Corona-Pandemie zu spüren, der den Ländern in den Gliedern steckt.
Die Stärkung europäischer Institutionen und Gestaltungskompetenzen in dem hier angedachten
Ausmaß wäre in einem Kernbereich der Gesundheitspolitik sonst nur schwer vorstellbar.
In einem nächsten Schritt soll zudem die Krisenbehörde HERA aufgebaut werden. Die Kommission will ihren
Verordnungsvorschlag dazu am 14. September präsentieren.
Mit den vorliegenden Ratsmandaten kann nun
das gesamte erste Legislativpaket zur Europäischen Gesundheitsunion in den
Trilogen verhandelt werden. Diese werden voraussichtlich im September beginnen.
Das Europäische Parlament wird die Gesetzesverfahren nutzen, um eigene Legislativwünsche
unterzubringen.