Österreich vor der Erhöhung der Regelaltersgrenze von Frauen
Lücken zwischen aktiver Erwerbsphase und Rentenzugang.
VS – 08/2021
In den vergangenen Jahren haben, mit Ausnahme von Polen und Rumänien,
alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Alterssicherungssystemen eine
Anpassung der Regelaltersgrenze von Frauen an die der Männer beschlossen. In
Österreich beginnt diese Anpassung von 60 auf 65 Jahre im Jahr 2024 und wird im
zweiten Halbjahr 2033 abgeschlossen sein.
Von der Altersgrenze kann jedoch nicht zwangsläufig eine Aussage über
den Verbleib im Erwerbsleben abgeleitet werden. Altersgrenze, tatsächlicher
Zeitpunkt des Renteneintritts und das Ende der aktiven Erwerbsphase können
deutlich voneinander abweichen. In vielen europäischen Ländern, so auch in
Österreich und Deutschland, gilt dies insbesondere für Frauen.
Bestehende Lücken zwischen dem Ende der Erwerbsphase und dem Renteneintritt
Die österreichischen Forschungsinstitute, Institut für
Wirtschaftsforschung (WIFO) und Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt
(FORBA), haben hierzu die gemeinsame Studie „Erwerbsaustritt, Pensionsantritt und
Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters ab 2024“ publiziert.
Die Analyse des Rentenzugangs von Frauen in Österreich seit
2010 zeigt, dass große zeitliche Lücken zwischen der Beendigung der Beschäftigung und
dem Zeitpunkt des Rentenzugangs bestehen. Aktuell erfolgt nur bei knapp der
Hälfte der Frauen der direkte Rentenzugang aus einem Beschäftigungsverhältnis heraus.
Im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie in den sonstigen wirtschaftlichen
Dienstleistungen sind es nur ein Drittel der Frauen. Auch hinsichtlich der Betriebsgröße zeigen sich deutliche Unterschiede. Der Rentenzugang aus Großbetrieben erfolgt
zu zwei Dritteln direkt, in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten hingegen
nur zu einem Drittel. Ebenso bestehen signifikante Unterschiede hinsichtlich
der Qualifizierung und des Lohnniveaus. Bei besser entlohnenden Betrieben kommt
es häufiger zum direkten Rentenzugang aus der Erwerbstätigkeit. Frauen mit Lücken
von bis zu fünf Jahren stammen häufiger aus Betrieben mit niedrigem
Entlohnungsniveau.
Des Weiteren wird in der Analyse anhand von qualitativen
Betriebsfallstudien sowohl die konkrete betriebliche als auch die individuelle
Sicht der dort beschäftigten Frauen auf die Anhebung der Altersgrenze untersucht.
Auch hier ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. So
sind insbesondere die untersuchten Betriebe aus den Branchen Pflege,
Einzelhandel und Gebäudereinigung auf die Anhebung der Altersgrenze für Frauen unzureichend
vorbereitet. Diese setzen bisher kaum auf notwendige Anpassungsmaßnahmen, wie etwa
zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit oder zur altersgerechten Umgestaltung der
Arbeitsplätze. Die zusätzlich interviewten erwerbslosen Frauen sehen – vor
allem aufgrund eigener gesundheitlicher Probleme und des Alters – bereits jetzt
wenig Chancen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden beziehungsweise bis 60 Jahre einer
Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Die Erhöhung der Regelaltersgrenze führt nicht automatisch zu einer Verlängerung der aktiven Erwerbsphase
Damit eine Erhöhung der Regelaltersgrenze zu einem signifikanten Anstieg
der aktiven Erwerbsphase von Frauen führt, bedarf es nach Ansicht der
Autorinnen der Studie einer altersgerechten und auf die Erhaltung der
Arbeitsfähigkeit ausgerichteten Anpassung der Arbeitswelt. Darüber hinaus
benötigen kleine und mittlere Betriebe für diese notwendigen
Anpassungsmaßnahmen zielgerichtete und leichtzugängliche Beratungsangebote.
Die Ergebnisse der Analyse lassen sich auf
Deutschland übertragen. Damit die Erhöhung der Regelaltersgrenze zu einer Verlängerung
der Erwerbsphase führt, bedarf es der Begleitung durch vielfältige präventive
Maßnahmen. Insbesondere bei KMU besteht hierbei ein besonderer Beratungsbedarf,
wie der erste Präventionsbericht der Nationalen Präventionskonferenz* darlegt.