
Digitalisierung nutzen, aber nicht zu Lasten des Arbeits- und Sozialschutzes
Entschließung des Europäischen Parlamentes zu Plattformarbeit mit breiter Mehrheit verabschiedet.
VS – 09/2021
Das Europäische Parlament
(EP) hat am 16. September mit 524 Jastimmen bei 39 Gegenstimmen und 124
Enthaltungen eine Entschließung zu einem europäischen
Rahmen für Plattformbeschäftigung angenommen. Danach sollen Plattformbeschäftigte über das gleiche Maß an sozialem Schutz verfügen wie nicht auf
Plattformen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit
vergleichbaren Tätigkeitsfeldern. Nach Auffassung der Abgeordneten wird der
derzeitige europäische Rechtsrahmen den neuen Realitäten von
Plattformbeschäftigung nicht gerecht und muss daher angepasst werden. Es gilt
die Möglichkeiten des technologischen Fortschritts zu nutzen. Dabei muss
jedoch Arbeits- und Sozialschutz gewahrt werden.
Feststellung des Beschäftigungsstatus – Umkehr der Beweislast
Plattformbeschäftigte
werden häufig zu Unrecht als Selbstständige eingestuft. In der Folge wird
ihnen der Zugang zu Sozialschutz und anderen Arbeitsrechten verwehrt. Daher
schlägt das Parlament für die Feststellung des Beschäftigungsstatus eine Umkehr
der Beweislast vor: Im Falle eines Gerichtsverfahrens solle dem Arbeitgeber
der Nachweis obliegen, dass kein Arbeitsverhältnis entsprechend der jeweiligen
nationalen Definition von abhängiger Beschäftigung besteht. Dabei soll gelten, dass
bis zur gerichtlichen Klärung die Plattformbeschäftigten als Arbeitnehmer
behandelt werden.
Die Abgeordneten sprechen
sich explizit gegen einen speziellen dritten Beschäftigungsstatus für
Plattformbeschäftigte aus. Allerdings sollen Plattformbeschäftigte nicht
automatisch als Arbeitnehmer eingestuft werden. Diejenigen, die wirklich einer
selbständigen Tätigkeit nachgehen, sollten den Selbstständigenstatus erhalten.
Faire Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz
Eine zentrale Forderung
gilt einem „transparenten, nichtdiskriminierenden, vertrauenswürdigen und ethisch
vertretbaren“ Einsatz von Algorithmen. Darüber hinaus ist aus Sicht der
Abgeordneten wesentlich, dass auf Algorithmen basierende Entscheidungen
angefochten werden können und über dem Entscheidungsprozess immer eine
menschliche Aufsicht besteht.
Die Entschließung enthält mehrere Forderungen, die die Rechte der Plattformbeschäftigten gegenüber
den Plattformbetreibern stärken. So soll für Plattformbeschäftigte das Recht
auf gewerkschaftliche Vertretung und Tarifverhandlungen bestehen. Aus- und
Weiterbildung ist zu ermöglichen und Ausschließlichkeitsklauseln sollen
untersagt werden.
Die Entschließung zielt
auch auf die oft schlechten Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigte ab.
Eine gesündere und sicherere Arbeitsumgebung soll durch das Stellen von
Arbeits- und Schutzmaterialien erreicht werden. Auch werden die Mitgliedstaaten
der EU aufgefordert Plattformbeschäftigten Zugang zu Unfallversicherung,
Krankenversicherung und Versicherungsschutz im Falle einer Erwerbsminderung zu
gewähren und die Ratsempfehlung
zum Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige umzusetzen.
Wie geht es weiter?
Die Europäische Kommission
hat bis Ende des Jahres einen Richtlinienentwurf zur Verbesserung der
Arbeitsbedingungen und des Sozialschutzes von Plattformbeschäftigten
angekündigt. Mit der vorliegenden Entschließung hat das Europäische Parlament seine Prioritäten
für den Richtlinienentwurf vorgelegt.