Mit ihrem amerikanischen Vorbild hat die neue europäische Krisenbehörde nur wenig Ähnlichkeit.

UM – 09/2021

Die am 14. September  von der Europäischen Kommission beschlossene Krisenbehörde bleibt hinter den Ankündigungen und Erwartungen zurück. Dennoch: HERA soll die Europäische Union (EU) in die Lage versetzen, mit künftigen Gesundheitsbedrohungen früher und besser fertig zu werden, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Verkündigung des Beschlusses einen Tag später im Rahmen ihrer alljährlichen Rede zur Lage der Union.

Keine eigenständige Behörde ...

Die neue EU-Behörde für die Krisenvorsorge und –reaktion bei gesundheitlichen Notlagen – so die Langbezeichnung – soll eine zentrale Verwaltungseinheit innerhalb der Kommission werden und die heute gestreuten Kompetenzen und Zuständigkeiten bündeln. Eine eigenständige Behörde wie die Arzneimittelagentur EMA oder das Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten ECDC wird HERA also nicht. Sie soll aber mit beiden Agenturen eng kooperieren und über deren Kompetenzrahmen hinaus komplementär die „Entwicklung, Herstellung, Beschaffung und Verteilung von medizinischen Produkten“ im Krisenfall sicherstellen. Sie wird auch mit den Behörden der Mitgliedstaaten, in deren Kompetenz und Zuständigkeit der Gesundheitsschutz liegt, eng zusammenarbeiten, die gesundheitlichen Bedrohungen – seien sie biologischer, chemischer oder anderer Natur -analysieren und gemeinsam Strategien entwickeln.

... aber Teil einer "Mission"

Im Frühjahr des nächsten Jahres soll HERA mit einem Sechs-Jahres-Etat von sechs Milliarden Euro an den Start gehen. Vielleicht mit Blick auf diesen vergleichsweise überschaubaren Betrag schlug von der Leyen in ihrer Rede eine neue Krisenvorsorge- und Resilienzmission für die EU vor, die sich unter Hinzuziehung von 24 Milliarden Euro aus anderen EU-Haushaltsposten für gesundheitliche Notfälle und 20 Milliarden Euro aus den Plänen der EU-Länder zur Verbesserung der nationalen Pandemievorsorge auf dann 50 Milliarden Euro hochrechnet.

HERA in Bereitschaftszeiten

In ruhigen Zeiten liegen ihre Aufgaben in der Bedrohungsbewertung und Wissenssammlung, in der Unterstützung von Forschung und Entwicklung von Krisenmaßnahmen, in der Sicherung hinreichender Produktionskapazitäten für krisenrelevante Technologien, in der Beschaffung und Bevorratung mit notwendigen medizinischen Produkten und der Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Krisenvorbereitung.

HERA in Krisenzeiten

In Phasen akuter grenzüberschreitender Bedrohungen ist HERA gefordert, Gegenmaßnahmen zu organisieren und zu koordinieren. Beschafffung, Einkauf und Produktion von geeigneten medizinischen Produkten stehen im Vordergrund, genauso wie der Aufbau von Produktionskapazitäten, die zielgerichtete Förderung von Forschung und Innovation sowie die Finanzierung. Ein Krisenstab soll rasche Entscheidungen und rasches Handeln sichergestellen. Geführt wird HERA durch einen von der Kommission berufene/n Generaldirektor*in, dem ein Koordinierungsausschuss aus Kommissionsmitgliedern unter Ko-Vorsitz des zuständigen Vizepräsidenten Margaritis Schinas und der Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides zur Seite steht. Die Mitgliedstaaten sind über hohe Repräsentant*innen im  HERA-Vorstand (HERA Board) vertreten. Die fachliche Vernetzung mit den Mitgliedstaaten erfolgt im HERA Beirat (HERA Advisory Forum). Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit mit der Industrie gesucht.

Internationale Kooperation

HERA hat auch eine internationale Komponente. Die Lieferketten für Rohstoffe, Materialien und pharmazeutische Produkte sind zunehmend global organisiert; Störungen sind damit weltweit zu spüren. HERA soll in enger Kooperation mit ihren globalen Partnern und EU-Nachbarn Engpässe in den Lieferketten adressieren, unnötige Beschränkungen und Hemmnisse für den internationalen Warenverkehr beseitigen und daran mitwirken, dass sich weltweit die Produktionskapazitäten für krisenrelevante medizinische Produkte vergrößern. Teil ihres Auftrages ist dabei auch, insbesondere einkommenssschwache Länder zu unterstützen, Expertise und Krisenkapazitäten aufzubauen. Die Behörde will zudem den Zugang zu EU-finanzierten oder von der EU beschafften medizinischen Gegenmaßnahmen sowie zu regionalen und lokalen Produktionskapazitäten in Drittländern unterstützen.