… aber die Uneinigkeit über Maßnahmen diese zu überwinden, nimmt zu.

VS – 01/2022

Die Studie Does Inequality Matter? untersucht, wie Menschen in OECD-Ländern über Ungleichheiten im eigenen Land denken. Noch Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre glauben die Befragten, dass die Spitzenverdiener im Durchschnitt fünfmal so viel verdienten wie die unteren Einkommensbezieher. Heute ist dieses wahrgenommene Verhältnis von Spitzen- zu unteren Einkommensbeziehern auf 8 gestiegen ist.

Die Wahrnehmung der Menschen ist nicht losgelöst von der Realität

Die Studie analysiert, inwieweit die empfundene Einkommensungleichheit mit der tatsächlichen korreliert. Tatsächlich hat sich die Einkommenskluft in den letzten drei Jahrzehnten vergrößert und die soziale Mobilität stagniert in vielen OECD-Ländern. Auch wird die Einkommensungleichheit tendenziell in jenen Ländern als größer und steigend empfunden, in denen auch die gemessene Einkommensungleichheit höher und gestiegen ist.

Toleranz gegenüber Ungleichheit ist ebenfalls angestiegen – wenn auch in geringerem Umfang

Die Studie untersucht die Einstellungen zu Ungleichheit und Umverteilungsmaßnahmen. Heute sind die Menschen im Durchschnitt der Meinung, dass Spitzenverdiener viermal so viel verdienen sollten wie die unteren Einkommensbezieher, während es Ende der 1980er Jahre noch das Dreifache war.

Unterschiede zwischen den Ländern

Mehr als 6 von 10 OECD-Bürgern sind der Meinung, dass ihre Regierung mehr tun sollte, um die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich durch Steuern und Transfers zu verringern. Dabei gilt, je mehr die Menschen über die Ungleichheit besorgt sind und eine geringe soziale Mobilität wahrnehmen, desto größer ist ihre Forderung nach Umverteilung.

Politische Forderungen für politische Maßnahmen hängen allerdings auch stark von Überzeugungen über die Wirksamkeit der Politik und die Determinanten der Ungleichheit ab. Die Menschen sind weniger geneigt, eine stärkere Umverteilung zu fordern, wenn sie glauben, dass die Leistungen nicht zielgerichtet sind, und sie sind weniger für eine progressive Besteuerung, wenn sie glauben, dass Korruption weit verbreitet ist.

Die Forderung nach einer progressiveren Besteuerung ist auch geringer, wenn die Menschen glauben, dass Ungleichheiten durch Unterschiede in der persönlichen Anstrengung gerechtfertigt sind und nicht durch Umstände, auf die die Menschen keinen Einfluss haben. So glaubte 2018 in Polen jeder Vierte, dass Armut vor allem eine Folge mangelnder Anstrengung ist und weniger mit Ungerechtigkeit zu tun hat. In Deutschland waren nur vier Prozent der Befragten dieser Ansicht, in Österreich sechs Prozent und in Belgien sieben Prozent. Entsprechend forderten in Polen weit weniger Menschen eine stärkere progressive Besteuerung (54 Prozent) als in Deutschland (77 Prozent), Österreich (71 Prozent) und Belgien (67 Prozent).

In den meisten Ländern ist in den vergangenen drei Jahrzehnten die Kluft zwischen jenen gewachsen, die die Ungleichheit als eher hoch empfinden, und jenen, die sie als eher gering wahrnehmen. Auffällig ist dabei eine zunehmende Polarisierung in den Ansichten der Menschen über die Ungleichheiten in ihrem Land innerhalb von Gruppen mit ähnlichen sozioökonomischen Merkmalen, wie Einkommen oder Bildungsstand.