Im Falle einer Wiederwahl plant der französische Präsident eine Rentenreform.

LB – 03/2022

Im April 2022 steht in Frankreich die nächste Präsidentschaftswahl an. Anfang März hat Emmanuel Macron offiziell seine erneute Kandidatur angekündigt. Mit der Veröffentlichung seines Wahlprogramms endet nun die Gerüchteküche: Im Fall seiner Wiederwahl will er das Rentenalter von 62 auf 65 Jahre erhöhen.

Das französische Rentenversicherungssystem

Frankreichs Rentenversicherungssystem besteht aus einer Grundversorgung und einer gesetzlichen Zusatzversicherung. Die Grundrente beruht u.a. auf dem durchschnittlichen Jahreseinkommen (Bruttoarbeitsentgelt) der 25 besten Jahre im Berufsverlauf und der Versicherungsdauer. Die Zusatzrente wird nach einem Punktesystem berechnet. Zu beachten sind zudem ca. 40 Sondersysteme für bestimmte Berufsgruppen. Bei geringem Einkommen können außerdem bis ca. 900 Euro zusätzlich an Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt werden.

Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt in Frankreich derzeit bei 62 Jahren (für Jahrgänge ab 1955), wobei teilweise Abschläge in Kauf zu nehmen sind. Den vollen Rentensatz erhält man in Abhängigkeit weiterer Faktoren spätestens mit 67 Jahren. Für Personen, die sehr früh ins Berufsleben gestartet sind und die Anforderungen an Mindestversicherungsdauer sowie Mindestversicherungs­beiträge erfüllen, ist ab dem 60. Lebensjahr Vorruhestand möglich. Schwerbehinderte (dauerhaft mindestens 50 Prozent) können zwischen dem 55. und dem 59. Lebensjahr in Rente gehen.

Das französische Rentensystem steht schon seit längerem vor finanziellen Problemen. Insgesamt gelten die Ruhestandsregelungen dort als relativ großzügig. Erschwerend hinzu kommt die steigende Lebenserwartung: das durchschnittliche Lebensalter der Franzosen lag 2019 bei 83 Jahren - der EU-Durchschnitt bei 81,1 Jahren.

Rentenreform schon lange geplant

Angesichts der Finanzierungsprobleme stand bereits bei seinem Amtsantritt im Mai 2017 die umfassende Reform des Rentensystems auf der Agenda des derzeitigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Zu seinen Überlegungen gehörten damals die Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre und die Vereinheitlichung des Systems durch Abschaffung von Sonderregelungen. Die Reformpläne führten während seiner Amtszeit zu massiven politischen Widerständen und monatelangen Streiks. Dennoch standen sie im Frühjahr 2020 kurz vor der endgültigen Verabschiedung – und wurden dann aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt.

Fortsetzung des Reformvorhabens in angepasster Form

Nun steht im April die nächste Präsidentschaftswahl an. Anfang März hat sich Macron als Staatschef offiziell zur Wiederwahl gestellt und knapp zwei Wochen später sein neues Wahlprogramm präsentiert, in dem er den Plan einer Rentenreform erneut aufgreift. Schon letzten Sommer hatte er dazu durchblicken lassen, dass er das „sehr ambitionierte“ Vorhaben aus der Zeit vor der Pandemie wohl nicht weiterführen werde.

Tatsächlich enthält das Programm für die Wahl 2022 jetzt den Vorschlag zur schrittweisen Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 65 Jahre. Erwerbsunfähigkeit, beschwerliche Tätigkeiten und die Dauer der beruflichen Laufbahn sollen dabei Berücksichtigung finden. Weiterhin ist vorgesehen, zumindest für Neueinsteiger, die Sondersysteme in bestimmten Berufsgruppen abzuschaffen. Im Gegenzug wird die Mindestrente bei vollem Rentenbezug von 1.000 Euro auf 1.100 Euro erhöht, zudem sind weitere Steuererleichterungen geplant.

Ziel: Vollbeschäftigung in Frankreich

Diese Maßnahmen dienen laut Wahlprogramm im Rahmen eines „Produktivitätspakts zur Mehrarbeit aller“ dazu, die wirtschaftliche Stärke und Unabhängigkeit Frankreichs zu steigern. Dazu sind auch die Umwandlung der bisherigen Arbeitsagentur einschließlich einer strengeren Arbeitslosenversicherung sowie die Reform der sozialen Mindestsicherung geplant; Macron zielt auf Vollbeschäftigung in Frankreich ab.

Die kommende Staatsführung der Franzosen steht vor der Herausforderung, die bestehenden Finanzprobleme im französischen Rentensystem zu lösen, ohne die wirtschaftliche Erholung nach der Coronakrise zu gefährden. Die aktuell schwer vorhersehbare Situation in der Ukraine und ihre wirtschaftlichen Folgen werden dabei eine weitere Rolle spielen und diesen Balanceakt nicht einfacher machen.