Koordinierungsrecht
Kommissionsbericht belegt: Während der Pandemie ist Europa erstarrt.
UM – 04/2022
Im März hat die Europäische Kommission ihren Statistischen
Bericht zur Koordinierung der Sozialsysteme veröffentlicht. Dabei wurde für
den Berichtszeitraum 2020 besonders der Frage nachgegangen, inwieweit die
COVID-19-Pandemie auf das grenzüberschreitende Sozialleistungsgeschehen durchgeschlagen
hat. Das Ergebnis überrascht nicht. Der Bericht zeigt: COVID-19 hat die
Mobilität innerhalb der EU stark eingeschränkt.
Sichtbar wird dies an den portablen Dokumenten, die die
grenzüberschreitende Nutzung von Sozial- und Gesundheitsleistungen ermöglichen:
Das Formular A1, das in Fällen der Entsendung verwendet wird, das Formular S2,
das zur geplanten grenzüberschreitenden medizinischen Versorgung berechtigt und
das Dokument U2 für den Export von Leistungen bei Arbeitslosigkeit.
Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung
Im Vergleich zum Vorjahr ist 2020 die Zahl der geplanten
grenzüberschreitenden Behandlungen um 26 Prozent zurückgegangen. Der Bericht
zeigt auch, dass die ungeplante medizinische Versorgung, zum Beispiel im
Zusammenhang mit Auslandsreisen, rückläufig war. Deren Ausmaß wird aber erst in
der Statistik für 2021 zeigen. Insgesamt ist der Anteil der Ausgaben, die die
deutsche Krankenversicherung für Auslandsbehandlungen innerhalb des
EU/EFTA-Raumes hat, mit weniger als 0,1 Prozent ohnehin gering.
Arbeitsmobilität
Entsendungen in einen anderen Mitgliedstaat waren um 25
Prozent rückläufig, sind aber nicht unter das Niveau von 2018 gefallen, was
Rückschlüsse auf die dauerhaft gestiegene Arbeitsmobilität innerhalb der
EU/EFTA-Staaten zulässt. Bei den Grenzgängern blieb die Arbeitsmobilität
stabil, was sich in der Ausfuhr der Familienleistungen (+0,1 Prozent) zeigt.
Insgesamt sind auch 19 Prozent weniger U2-Dokumente ausgestellt worden, was
heißt, dass sich in der Krise deutlich weniger Menschen aufgemacht haben, um
sich im Ausland eine neue Arbeitsperspektive zu suchen.
Altersversorgung
Nicht stark verändert hat sich hingegen der Export von
Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsrenten. Auch das überrascht nicht und
ist ein weiterer Beleg für die Bewegungslosigkeit während der Pandemie.
EU-Recht „koordiniert“ Sozialsysteme
Die europäische Freizügigkeit und die Koordinierung der
Systeme der sozialen Sicherheit sind zwei Seiten einer Medaille. Kein Bürger,
keine Bürgerin würde sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben, wenn ihre Ansprüche auf Leistungen bei Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder
Alter verloren gingen.
Kodifiziert ist das komplexe Recht der grenzüberschreitenden
Koordinierung der Sozialleistungen in der Verordnung
(EG) 883/2004 zur Koordinierung der sozialen Systeme und der Verordnung
(EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für deren
Durchführung. Beide Gesetze sorgen dafür, dass grenzüberschreitende
Sachverhalte gleichbehandelt werden, Versicherungszeiten in unterschiedlichen
Mitgliedsstaaten addiert werden, Leistungen exportiert werden können und ein
für alle verbindlicher, gleicher Rahmen des Rechts gilt, das angewendet wird.