Sonderausschuss des Europäischen Parlaments soll Lehren aus Pandemie ziehen

CC – 04/2022

Das EU-Parlament hat am 10. März 2022 die Einrichtung eines Sonderausschusses zur COVID-19 Pandemie beschlossen. Am 19. April hat sich der Sonderausschuss konstituiert und seine Arbeit aufgenommen. Die Mandatszeit wurde auf zwölf Monate festgelegt, nach deren Ablauf er dem EU-Parlament einen Abschlussbericht vorzulegen hat. Der Ausschuss ist mit 38 Parlamentarierinnen und Parlamentariern besetzt. Vorsitzende ist Kathleen Van Brempt (S&D) aus Belgien. Ihre vier Stellvertreterinnen und Stellvertreter sind Andreas Glück (Renew Europe, DE), Ewa Kopacz (EVP, PL), Michèle Rivasi (Grüne/EFA, FR) und Karol Karski (ECR, PL).

Erste gesundheitspolitische Lehren

Ungern erinnert man sich in Brüssel an das unkoordinierte Vorgehen bei der Beschaffung von Schutzausrüstung und Impfstoffen zu Beginn der COVID-19 Pandemie. Unsolidarisches Vorgehen und nationalstaatliche Alleingänge haben der EU in der Bewältigung einer Pandemie nicht gutgestanden. Erste gesundheitspolitische Lehren wurden daher mit dem Legislativpaket zur Europäischen Gesundheitsunion und der damit verbundenen Einrichtung von HERA und der Mandatserweiterung von ECDC und EMA schon gezogen.

Aufgabe des Sonderausschusses zu COVID-19 ist es nun, die pandemiebedingte Reaktion der Europäischen Union (EU) zu untersuchen, um anschließend entsprechenden Lehren für künftige Maßnahmen auszuarbeiten. Die pandemischen Auswirkungen auf die EU sollen dabei ganzheitlich bewertet werden und sich auf vier Bereiche konzentrieren:

Gesundheit

Hier wird die pandemische Krisenreaktionsfähigkeit der EU, ihrer Organe und Agenturen sowie das Maß an Koordinierung und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten untersucht. Dazu gehört die COVID-19-Impfstrategie, die Rolle und Mandate der Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA), der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Neben der Governance von Gesundheit, sollen auch die Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheitsversorgung untersucht werden, so u.a. auf Diagnose und Behandlungen von Krankheiten, psychischer Gesundheit, Long COVID, die Auswirkungen des Personalmangels und der zunehmenden Digitalisierung im Gesundheitswesen, die Verfügbarkeit von Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie die Betroffenheit der Pflege.

Ein abgestimmter Ansatz im Hinblick auf die Achtung der Demokratie und der Grundrechte

Untersucht werden hier u.a. gesellschaftliche Aspekte wie Impfskepsis und Verbreitung von Fehlinformationen, die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit von Beschränkungen des freien Personenverkehrs und des Binnenmarktes, die Auswirkungen auf die Individual- und Grundrechte schutzbedürftiger Gruppen, den Einsatz von technologischen Instrumenten und Datensätzen bei der Bekämpfung von COVID-19 sowie die grundsätzliche demokratische Kontrolle der Reaktion auf die Pandemie in den Mitgliedstaaten.

Gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen

Im Konkreten werden in diesem Bereich die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeitsorganisation, die Telearbeit und die Zukunft der Arbeit, die Folgen der Pandemie für Armut, Ungleichheit und soziale Ausgrenzung sowie die Auswirkungen auf die Sozialschutzsysteme untersucht. Aspekte wie der Umgang und Einsatz von digitalen Technologien, die Gleichstellung der Geschlechter sowie die allgemeine berufliche Bildung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sollen ebenfalls betrachtet werden.

Die EU und die Welt

In diesem Bereich soll u.a. auf die strategische Autonomie der EU geschaut werden – in Gesundheitsfragen, in der Widerstandsfähigkeit der Lieferketten, in der Krisenfestigkeit als Wirtschaftsstandort und den von der Pandemie am stärksten betroffenen Wirtschaftszweigen wie Kultur, Gastgewerbe, Tourismus und Verkehr. Daneben sollen auch Lehren für die supranationale Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Welthandelsorganisation (WTO) und anderer multilateraler Initiativen, insbesondere zur Impfstoffdiplomatie und -vergabe wie COVAX gezogen werden.

Mehr Informationen zu den Aufgaben und Zielen des Sonderausschusses finden Sie hier.

Der Abschlussbericht soll neben einer Bestandsanalyse auch Empfehlungen für zu ergreifende Maßnahmen umfassen, die die pandemische Krisenreaktionsfähigkeit der EU weiter verbessern sollen. Die erste ordentliche Sitzung des Sonderausschusses ist für den 11. Mai geplant.