Grenzüberschreitender elektronischer Gesundheitsdatenaustausch in der EU
Schon vor dem Europäischen Gesundheitsdatenraum werden Daten ausgetauscht
CC – 05/2022
Die
Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) ist das zentrale gesundheitspolitische
Digitalisierungsprojekt der Europäischen Kommission. Mit dem EHDS ist das Ziel
verbunden, dass Gesundheitsdaten grenzüberschreitend elektronisch ausgetauscht
werden. Während die Digitalisierung von Gesundheitsdaten in Deutschland noch in
den Kinderschuhen steckt, tauschen bereits zehn EU-Mitgliedstaaten
Gesundheitsdaten grenzüberschreitend aus.
Koordinierende Zusammenarbeit im eHealth-Netzwerk
Im
Jahr 2011 wurde auf Grundlage der Patientenmobilitätsrichtlinie (2011/24/EU) das eHealth-Netzwerk – eHN – geschaffen. In dem eHN
wird die Zusammenarbeit der EU-Staaten bei dem grenzüberschreitenden
elektronischen Austausch über die Dateninfrastruktur (eHDSI/MyHealth@EU)
koordiniert. Das Gremium setzt sich zusammen aus den jeweiligen für eHealth
zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, in Deutschland ist das das Bundesministerium
für Gesundheit. Die Zusammenarbeit im eHN erfolgt bisher freiwillig.
MyHealth@EU – aus Freiwilligkeit wird Verpflichtung
Die Dateninfrastruktur eHDSI wurde 2015 ins Leben
gerufen und ins Programm MyHealth@EU überführt. Mit der Fazilität "Connecting
Europe" werden Infrastrukturprojekte unterstützt, um die EU und ihre Regionen besser zu
vernetzen. Eine Finanzierung
erfolgt seit 2021 auch durch das EU4Health-Programm. Die Mitgliedstaaten arbeiten
schon lange dafür, die Grundlage für den Austausch von
medizinischen Informationen in der EU zu schaffen. Über MyHealth@EU sollen
personenbezogene Gesundheitsdaten sicher, effizient und interoperabel innerhalb
der EU ausgetauscht werden können.
Die Schnittstellen zu den jeweiligen
nationalen Systemen bilden dabei nationale Kontaktstellen für elektronische
Gesundheitsdienste (NCPs). Auf der bestehenden MyHealth@EU-Dateninfrastruktur
soll der aktuell zur Diskussion stehende Verordnungsentwurf zum
Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) bei der Primärdatennutzung
aufsetzen. Die bestehenden elektronischen Gesundheitsdienste sollen flächendeckend
miteinander interoperabel ausgetauscht werden können und mit weiteren
Funktionen ergänzt werden. Aus der freiwilligen Zusammenarbeit soll ein verpflichtender
Gesundheitsdatenaustausch werden.
Zehn Mitgliedstaaten tauschen Gesundheitsdaten aus
Der erste Austausch von elektronischen Rezepten
und elektronischen Patientenkurzakten fand im Januar 2019 zwischen Estland und
Finnland statt. Bis 2025 sollen alle Mitgliedstaaten an die
Dateninfrastruktur von MyHealth@EU angebunden sein und eRezepte und
ePatientenkurzakten austauschen können. Inzwischen sind zehn Mitgliedstaaten am praktischen
Austausch in der MyHealth@EU-Infrastruktur beteiligt. Allerdings variiert die
Intensität des Austausches. Lediglich Portugal ist in der Lage, den
Austausch von eRezepten (und damit die elektronische Ausstellung und der
elektronische Abruf eines Rezeptes) und ePatientenkurzakten vollumfassend
umzusetzen.
Andere Mitgliedstaaten, wie beispielsweise Frankreich, können zwar
ePatientenkurzakten empfangen, aber nicht senden. Zudem variiert je nach
Mitgliedstaat die Anzahl der bereits an die Dateninfrastruktur angeschlossenen Apotheken
und Krankenhäuser. Während in Kroatien bereits alle Apotheken und Krankenhäuser
angebunden sind, sind es in der Tschechischen Republik nur 15 Prozent aller
Krankenhäuser. Ein ausführliches und interaktives Dashbord über die
teilnehmenden Mitgliedstaaten sowie die Anzahl und Zugriffswege der
ausgetauschten eRezepte und Patientenkurzakten ist hier zu finden: https://webgate.ec.europa.eu/santegis/eHDSI/
Deutschland möchte frühestens 2023 ePatientenkurzakten austauschen
Deutschland ist zwar Mitglied im eHealth-Netzwerk,
allerdings noch nicht aktiv am Datenaustausch über MyHealth@EU beteiligt. Das
liegt vor allem an den innerstaatlichen Herausforderungen bei der
Digitalisierung von Gesundheitsdaten und der Einführung der elektronischen
Patientenakte, der ePatientenkurzakte und des eRezeptes. Derzeit plant
Deutschland aber zumindest bis 2023/2024 Patientenkurzakten über MyHealth@EU
grenzüberschreitend elektronisch austauschen zu können. Die ePatientenkurzakte löst
ab dem Jahr 2023 schrittweise die kartengebundene Anwendung der elektronischen
Notfalldaten sowie die ebenfalls auf der elektronischen Gesundheitskarte
gespeicherten Hinweise der Versicherten auf das Vorhandensein und den
Aufbewahrungsort von papierbasierten Organspendeerklärungen,
Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen ab.
Einige erste Weichen zum grenzüberschreitenden
Gesundheitsdatenaustausch sind gestellt. Allerdings geht es bei der
freiwilligen Zusammenarbeit bei MyHealth@EU bisher nur um den Austausch von
eRezepten und ePatientenkurzakten. Mit dem EHDS sollen auch schrittweise
weitere Gesundheitsdaten wie Laborberichte, medizinische Bildgebungen und
Entlassberichte ausgetauscht werden können. Ob ab 2025 alle Mitgliedstaaten dafür
bereit sind, bleibt abzuwarten. Das Gleiche trifft auch auf das selbsterklärte
Ziel der Europäischen Kommission zu, dass bis 2030 alle EU-Bürgerinnen und
Bürger Zugang zu ihren medizinischen Daten, also ihren elektronischen
Patientenakten, erhalten.