Arzneimittel-Voucher als Anreiz für Entwicklung neuer Antibiotika ungeeignet

UM – 08/2022

Im Rahmen der anstehenden Überarbeitung der Arzneimittelgesetzgebung prüft die Europäische Kommission, mittels zusätzlicher Anreize die Entwicklung und Produktion von neuen Antibiotika zu fördern. Denn während in diesem Segment seit Jahren keine nennenswerten Durchbrüche erzielt werden konnten, nehmen die Resistenzen gegen verfügbare antimikrobielle Mittel zu.

Anreize allein reichen nicht

Dass nun bei der Überarbeitung der Arzneimittelgesetze auch die Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika – insbesondere von Reserveantibiotika – überdacht werden, ist nachvollziehbar. Das allein löst die Probleme aber nicht.

Die European Public Health Alliance (epha) und ReAct Europe, ein unabhängiges globales Netzwerk, das sich mit antimikrobiellen Resistenzen befasst, haben den Frühsommer gut genutzt. Vor dem Hintergrund der anstehenden Reformen ist  ein kurzes Positionspapier entstanden, das sich mit den sogenannten Vouchern (transferable exclusivity extension – TEE) als Instrument zur Förderung der Entwicklung neuer Antibiotika befasst. Das Prinzip des TEE funktioniert so: Ein Unternehmen, das ein neues antimikrobielles Arzneimittel auf den Markt bringt, kann die Rechte, das Arzneimittel exklusiv zu vertreiben, auf ein anderes Produkt ganz oder teilweise übertragen. Alternativ kann das Recht auch an ein anderes Unternehmen verkauft werden.

Arzneimittel-Voucher sind ineffizient

In dem Positionspapier, das eine Reihe weiterer gemeinnütziger Organisationen, darunter die Association of European Cancer Leagues und die Health Action International mittragen, wird den TEE eine klare Absage erteilt. Es sei ethisch fragwürdig, einen Therapiebereich auf Kosten eines anderen zu subventionieren. Für Patientinnen und Patienten wie für Kostenträger würden übermäßige soziale Kosten drohen, während Arzneimittelentwickler – insbesondere große Unternehmen – unverhältnismäßig belohnt würden. Der Zugang der Patientinnen und Patienten zu neu auf den Markt gebrachten Antibiotika würde durch Voucher nicht sichergestellt.

Mit Antibiotika verantwortlich umgehen 

Mit dem Voucher würde ein schlechter Präzedenzfall geschaffen, so die Autorinnen und Autoren. Denn der Voucher gewährleiste nicht von vornherein die Verpflichtung zu einem verantwortungsvollen Umgang und einer angemessenen Verwendung von antimikrobiellen Arzneimitteln. Dazu bräuchte es weiterer Bedingungen und Auflagen. Das sieht auch die DSV so. Zur Problemlösung würde ein ganzes Bündel an Maßnahmen gebraucht. Insbesondere auch solche, die direkt auf den Umgang mit Antibiotika – sowohl im Veterinärbereich als auch in der Humanmedizin – abstellen. Zu dem Thema hat die DSV ein Feedback erstellt.

HERA einbinden

Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Revision des Arzneimittelrechts wird frühestens im vierten Quartal dieses Jahres erwartet. Epha und ReAct Europa appellieren an die Europäische Kommission, bei der Neuformulierung des Arzneimittelrechts auf sozial kostspielige und ineffiziente Marktanreize zu verzichten. Für die Entwicklung neuer Antibiotika gäbe es geeignetere Instrumente. Eine besondere und koordinierende Rolle könne hier die neue Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) spielen.