Der rasante Anstieg der Lebenshaltungskosten zeigt erste Auswirkungen

VS – 08/2022

Zwischen den Jahren 2012 und 2018 hat die britische Regierung schrittweise die automatische Anmeldung zur betrieblichen Altersvorsorge eingeführt. Automatische Anmeldung – auch als Opting-Out-Regelung bezeichnet – bedeutet, dass Beschäftigte automatisch in eine Betriebsrente einbezogen werden, sofern sie sich nicht aktiv dagegen entscheiden. Die Reform hat dazu geführt, dass sich im Vereinigten Königreich die Abdeckung der betrieblichen Altersvorsorge von 42 Prozent im Jahr 2012 auf 86 Prozent im Jahr 2021 erhöht hat. Laut aktuellen Studien wirkt sich der derzeitige Anstieg der Lebenshaltungskosten jedoch spürbar auf die Beitragszahlungen in die betriebliche Altersvorsorge aus.

Automatische Anmeldung zur betrieblichen Altersvorsorge

Die im Jahr 2002 von der britischen Regierung eingesetzte Rentenkommission – nach ihrem Vorsitzenden auch als Turner-Kommission bezeichnet – hat hervorgehoben, dass eine Sicherung des Lebensstandards im Alter eine deutliche Ausweitung der zusätzlichen Altersvorsorge erfordere. Hierzu müsse dem Rückgang bei der zusätzlichen Altersvorsorge entgegengewirkt werden. Die betriebliche Altersvorsorge dürfe sich nicht mehr vorrangig an höhere Gehaltsgruppen richten, sondern vielmehr möglichst weite Teile der britischen Beschäftigten einbeziehen.

Folge der Turner-Kommission war unter anderem, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet worden sind alle anspruchsberechtigten Beschäftigten im Alter zwischen 22 Jahren und dem staatlichen Rentenalter – aktuell 66 Jahre – die mehr als 10.000 GBP pro Jahr verdienen, in eine betriebliche Altersvorsorge einzuschreiben. In den Jahren 2021 und 2022 sind die Mindestbeiträge von fünf auf acht Prozent angehoben worden. Davon entfallen vier Prozent auf die Beschäftigten, drei Prozent auf Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie ein Prozent auf den Staat. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 50.270 GBP.

Damit alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Zugang zu einem kostengünstigen Anbieter von Betriebsrenten haben, ist der National Employment Savings Trust (NEST) eingeführt worden, ein treuhänderisch verwaltetes betriebliches Altersvorsorgesystem mit Beitragszusage. Dabei ist NEST verpflichtet, alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu akzeptieren. Daneben haben diese die Möglichkeit zwischen weiteren 37 zertifizierten Anbietern zu wählen (Stand 2019). 

Erste Bewährungsprobe COVID-19-Pandemie gut gemeistert

Befürchtungen, die COVID-19-Pandemie könne sich negativ auf die Beteiligung an der betrieblichen Altersvorsoge auswirken, haben sich nicht bestätigt. So ist der Anteil der eingeschriebenen Beschäftigten als auch der Anteil derjenigen, die ihre Beitragszahlungen eingestellt haben, stabil geblieben. Einzig die Beitragshöhe hat sich während der Pandemie leicht verringert.

Anstieg der Lebenshaltungskosten zeigt erste Auswirkungen

Der aktuelle Anstieg der Lebenshaltungskosten schlägt sich in der Beteiligung an der betrieblichen Altersvorsoge nieder. So haben nach dem aktuellen Rentenbericht von Scottish Widows elf Prozent der Erwachsenen ihre Beiträge bereits reduziert. Laut einer Erhebung der Versicherungsgesellschaft Canada Life haben fünf Prozent der Erwachsenen angegeben, ihre Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung eingestellt zu haben. Darüber hinaus geben sechs Prozent an, darüber nachzudenken, ihre Beiträge auszusetzen und weitere neun Prozent könnten dies in Zukunft in Betracht ziehen.

Gerade für eine beitragsdefinierte Rente ist eine kontinuierliche und möglichste frühe Beitragszahlung wichtig. Zum einen wegen des Zinses-Zins-Effekts. Zum anderen, weil im Modell der britischen Betriebsrente neben dem Beschäftigtenbeitrag auch die Aufstockungen durch Arbeitgeberinnen sowie Arbeitgeber und den Staat entfallen. So verliert in einer Modellrechnung von Canada Life eine heute 40-jährige Person, die ein Gehalt von 50.000 GBP pro Jahr bezieht, bei einem einjährigen Aussetzen der Beitragszahlung bis zum Renteneintritt mit 67 Jahren 15.000 GBP. Der aktuell rasante Anstieg der Lebenshaltungskosten ist daher die bisher größte Herausforderung für das neue britische Betriebsrentensystem.