Studie zeigt Auswirkungen auf die Arbeitsweise

LB – 10/2022

Die politische Abteilung für Wirtschafts-, Wissenschafts- und Lebensqualitätspolitik hat im Auftrag des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments (EMPL) einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsplatz vorgelegt. Berücksichtigt wurden vornehmlich Analysen breit angelegter Datensätze sowie einschlägige Fallstudien. Die Darstellung befasst sich beispielsweise mit Entwicklungen im Bereich der Plattformarbeit und den Auswirkungen moderner Informations- und Kommunikationstechnologien auf die körperliche und geistige Gesundheit.

Veränderungen der Arbeitswelt durch neue Technologien

Die Entwicklung und Nutzung digitaler Technologien haben durch die COVID-19-Pandemie erheblich an Fahrt gewonnen. Nicht nur Fern-, Tele- oder Plattformarbeit haben deutlich zugenommen; auch digitale Geschäftsmodelle und -prozesse prägen reguläre Arbeitsumgebungen heute deutlich stärker als früher. In den letzten zwei Jahren lag der Anteil an Telearbeit innerhalb der Europäischen Union konstant bei 18 Prozent. Unter der Berücksichtigung, dass nicht jede Branche und Tätigkeit dafür geeignet sind, könnte dieser Anteil sich Schätzungen zufolge auf bis zu 37 Prozent der Beschäftigten innerhalb der EU erhöhen. Die sogenannte „Digitale Kluft“ hat sich dabei während der Pandemie nach bisherigen Erkenntnissen zumindest nicht vergrößert.

Quo Vadis, Plattformarbeit?

Auch Plattformarbeit hat sich durch die Pandemie in allen dafür bisher bekannten Branchen ausgeweitet. Sie umfasst Liefer-, Transport- und Fahrdienste, aber auch ortsungebundene Arbeiten wie beispielsweise die Übersetzung schriftlicher Texte, die Analyse von Datensätzen oder Geschäftsprozesse, die ausgelagert werden können. Damit ist eine neue Form der globalen Arbeitsteilung möglich, deren Auftrags- und Aufgabensteuerung in der Regel „aus der Ferne“ erfolgt. Problematisch dabei ist, dass ein großer Teil dieser Aktivitäten quasi unter dem Radar der nationalen statistischen Ämter stattfindet. Um Ausmaß und Auswirkungen dieser neuen digitalen Arbeits- und Auftragsmärkte zu bewerten, fehlt es daher bisher an belastbaren Daten. Im Fazit der Überblicksstudie wird sowohl den Gesetzgebern auf europäischer und nationaler Ebene als auch den Arbeitnehmervertretungen das Thema „Algorithmisches Management“ besonders ans Herz gelegt.

Gesundheitliche Auswirkungen

Der Report geht auch auf die gesundheitlichen Folgen der digitalen Arbeitswelt ein. Die Ergebnisse sind zwiespältig: So können moderne Maschinen z. B. zur Entlastung in körperlich anstrengenden Berufen beitragen. Gleichzeitig können sie zu höherer Arbeitsplatzunsicherheit und Angst vor Arbeitsplatzverlust oder wirtschaftlicher Verschlechterung führen. Allerdings scheint diese Angst bisher vor allem „im Kopf“ zu bestehen; tatsächliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt oder ein Beschäftigungsrückgang in Berufen mit körperlicher Arbeitsbelastung zeigten sich noch nicht. In Bezug auf psychosomatische Symptome kann eine verstärkte Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zwar zur Reduktion vorherrschender Rückenschmerzen führen, hingegen treten Kopfschmerzen häufiger auf.

Drohender Ungleichheit entgegenwirken

Auch wenn die Sorge um Arbeitsplatz- und Beschäftigungsverluste durch Automatisierung sich in der Vergangenheit bisher nicht bestätigt hat, lassen nun aktuelle Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz derartige Befürchtungen erneut aufflammen. Zumindest für Menschen mit niedriger Qualifikation sind sie eventuell nicht ganz unbegründet, denn die Digitalisierung am Arbeitsplatz wirkt sich für Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Qualifikationsniveaus unterschiedlich aus: Bisher hat sich gezeigt, dass höhere Investitionen in die Digitalisierung in Unternehmen zwar einerseits mit einem Anstieg der Beschäftigung von hochqualifizierten Arbeitnehmern, andererseits aber mit einem Rückgang der Beschäftigung von gering- und mittelqualifizierten Routinearbeitern einhergehen. Zielgruppenspezifische Bildungsangebote könnten ein mögliches Mittel sein, um Ungleichheiten entgegenzuwirken.