Forderung nach neuem EU-Zentrum für Barrierefreiheit
EU-Parlament stimmt mehrheitlich dafür
IF – 10/2022
Das Europäische
Parlament stimmte Anfang Oktober in seiner Plenarsitzung mit einer
beeindruckenden Mehrheit (611 dafür, 9 Enthaltungen, 3 dagegen) für einen Initiativbericht
des Binnenmarktausschusses zur Gründung eines neuen "Accessible EU Center". Dahinter
verbirgt sich, dass ein neues europäisches Zentrum von den Abgeordneten gefordert
wird, das die Mitgliedstaaten dabei unterstützen soll, Standards zur Barrierefreiheit umzusetzen.
UN-Behindertenkonvention als Maßstab
Die Teilhabe
von Menschen mit Behinderung ist ein Grundrecht, das alle Lebensbereiche
umfasst. Die UN-Konvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen beinhaltet eine Vielzahl einzelner, auf die Bedürfnisse von Menschen mit
Behinderungen abgestimmte Umsetzungsziele. Die EU ist der UN-Behindertenrechtskonvention
erstmals Ende 2010 beigetreten. Trotzdem hinken viele Mitgliedsländer bei der
Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen hinterher, auch
Deutschland. Daher entstand auch der Bericht zur Forderung für ein
Zentrum für Barrierefreiheit.
Berichterstatterin fordert mehr Barrierefreiheit
Die deutsche Europaabgeordnete Katrin Langensiepen (Grüne) setzt sich
in dem von ihr abgestimmten Bericht dafür ein, dass das neue
EU-Zentrum den Mitgliedstaaten dabei von Nutzen sein soll, Barrierefreiheit
zielgerichteter in der EU und in nationale Politikstrategien umzusetzen.
Die Abgeordneten fordern ein finanziell gut ausgerüstetes Zentrum, das Expertinnen
und Experten, nationale Akteurinnen und Akteure und Menschen mit
Behinderungen zusammenführt. Barrierefreiheit in Gebäuden, im Verkehr
oder bei digitalen Technologien sei leider noch unbefriedigend umgesetzt. Es
brauche dringend Orientierungshilfen und politische Empfehlungen, um Barrierefreiheit
europaweit umzusetzen.
Ziel soll sein,
dass das Zentrum langfristig eine Agentur wird, die auch Legislativvorschläge initiieren
kann. Daher wird eine starke Struktur samt einem Sekretariat gefordert,
Untergruppen bestehend aus verschiedenen Interessenvertretungen von
Behindertenorganisationen, Expertinnen und Experten in Gruppen auf europäischer
und nationaler Ebene, um geeignete Lösungen und politische Empfehlungen für
mehr Barrierefreiheit zu finden.
Der Mensch im Mittelpunkt
Das Zentrum hat als oberstes Ziel die bessere Einbeziehung von Menschen
mit Behinderungen voranzutreiben. Beispielsweise sind diese Personengruppen im derzeitigen Normungssystem nicht
gleichberechtigt wie andere Interessenvertretungen an den Arbeiten europäischer
und nationaler Normungsgremien involviert. Wenn Normen für die Barrierefreiheit
ausgearbeitet werden, sollten in Zukunft besonders Menschen mit Behinderungen daran
beteiligt sein.
Europäische Kommission am Zug
Die finanzielle und personelle Gestaltung des Zentrums ist eine von
vielen Forderungen an die Europäische Kommission. Binnen fünf Jahren nach der Implementierung
des Zentrums für Barrierefreiheit sollte die Europäische Kommission die
Wirksamkeit und den Mehrwert bei der Verbesserung der Barrierefreiheit in der
EU bewerten, so der Wunsch der Abgeordneten. Falls die Ziele
nicht erreicht werden, sollte die Europäische Kommission eingreifen und
Verbesserung der Arbeitsweise des Zentrums forcieren. Vielleicht könnte es
bereits in der nächsten Legislaturperiode eine Agentur für Barrierefreiheit
geben.