EU-Chemikalienstrategie: Überarbeitung der REACH-Verordnung
Weitreichende Folgen zu befürchten
LB – 11/2022
Die Europäische Kommission
hat sich in Zeiten des Klimawandels ein ehrgeiziges Ziel
gesteckt. Im Zuge des „Green Deal“ soll die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral
werden. Neben verschiedenen Umweltschutzinitiativen
wurde dafür auch die sogenannte Chemikalienstrategie für mehr Nachhaltigkeit entwickelt:
Damit sollen zum einen sichere, nachhaltige Chemikalien stärker gefördert und zum
anderen Menschen und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien besser geschützt
werden. Daneben hat die Europäische Kommission auch immer die Stärkung des
europäischen Binnenmarkts im Blick.
In der Chemikalienstrategie werden verschiedene europäische Regelungen angesprochen. Dazu gehört auch die Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH). Sie wird aktuell überarbeitet.
REACH-Verordnung: risikobasierter Ansatz
Die REACH-Verordnung
bezieht sich auf eine breite Palette von Chemikalien – von Pestiziden bis hin
zu Polymeren zur Herstellung von Kunststoffen. Auch Reinigungsmittel können darunter fallen. Aktuell besteht
mit der REACH-Verordnung für Verbraucherinnen und Verbraucher zu Recht ein
äußerst strenger Schutz vor gefährlichen Substanzen. Für gewerblich und
industriell Beschäftigte, die zum Beispiel mit chemischen Stoffen arbeiten,
gelten hingegen andere Regeln: hier hat sich ein risikobasierter Ansatz bewährt.
Dabei wird die Gefahr eines Stoffes im Zuge einer Risikobewertung mit der
möglichen Exposition und den daraus entstehenden Folgen betrachtet. Auf der
Grundlage des Bewertungsergebnisses werden dann Risikomanagementmaßnahmen
ergriffen und Personen am Arbeitsplatz dementsprechend geschützt. So ist das
sichere Arbeiten mit Chemikalien am Arbeitsplatz möglich.
Unterschiedliche Regelungen gewerblich und industriell Beschäftigte
Auch
wenn die nachhaltige Zielstellung der Europäischen Kommission grundsätzlich zu begrüßen
ist, steckt der Teufel hier im Detail. So sieht die
Chemikalienstrategie vor, den risikobasierten Ansatz für gewerblich
Beschäftigte zu streichen. Für sie würden damit künftig
die gleichen strengen Vorschriften zum Schutz vor Chemikalien gelten wie für
Verbraucherinnen und Verbraucher. Demgegenüber soll das Schutzniveau für
industriell Beschäftigte beibehalten werden.
Weitreichende Folgen für Unternehmen
Dieses neue „Nebeneinander“ unterschiedlicher Regelungen für
industriell und gewerblich Beschäftigte hätte weitreichende Auswirkungen; gewerblich
Beschäftigte dürften nicht mehr mit potenziell krebserzeugenden oder anderen
Stoffen vergleichbaren Risikos arbeiten. Dies hätte fatale Folgen, gerade auch für
kleine und mittelständische Unternehmen.
So ist es im Gesundheitsbereich beispielsweise üblich,
Flächendesinfektionen mit formaldehydhaltigen Reinigungsmitteln durchzuführen
und medizinische Instrumente oder Infusionsschläuche mit Ethylenoxid zu sterilisieren.
Beide Stoffe sind als krebserzeugend eingestuft; für beide gibt es
Risikomanagement-Vorgaben (Arbeitsplatzgrenzwert bzw. Arbeit in geschlossenen
Systemen), die ein sicheres Arbeiten möglich machen. Nach der
Chemikalienstrategie dürften diese beiden Stoffe nun künftig nicht mehr von
gewerblich Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit angewendet werden.
Die Deutsche Sozialversicherung hat sich im Oktober 2022 hierzu in
einer Stellungnahme geäußert und den politischen Akteurinnen und Akteuren
Empfehlungen aufgezeigt.
Ausblick
Nachdem für das REACH-Vorhaben
ursprünglich ein Zeitplan bis Ende 2022 vorgesehen war, könnte es nun sein, dass das neue
Regelwerk erst im Jahr 2023 kommt. Auch das
kürzlich vorgestellte Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2023 deutet darauf
hin.