Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern sollen gestärkt werden

UM – 11/2022

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, das Produkthaftungsrecht zu überarbeiten und auf einen aktuellen Stand zu bringen. Die Richtlinie 85/374/EWG stammt aus dem Jahr 1985 und bildet die Produktentwicklungen der letzten 40 Jahre nur unzureichend ab. Daraus entstehende haftungsrechtliche Lücken sollen nun geschlossen werden. Dazu schlägt die Europäische Kommission vor, die Richtlinie komplett neu zu fassen (COM(2022) 495 final).

Haftungslücken schließen

Künftig sollen vom Produkthaftungsrecht insbesondere auch Produkte erfasst werden, die auf neuen digitalen Technologien beruhen. Auch für Schäden aufgrund fehlerhafter Software-Updates oder in Folge der Anwendung von KI- Algorithmen sollen klare Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Dabei geht es nicht um Verschulden; Gegenstand der Produkthaftungsrichtlinie sind ausschließlich verschuldensunabhängige Schäden.

Der Entwurf der neuen Produkthaftungsrichtlinie adressiert die für fehlerhafte Produkte haftenden Wirtschaftsakteure und nimmt die Mitgliedstaaten in die Pflicht, dass diese für durch in ihrer Verantwortung stehende Produkte verursachte Schäden – Personen- und Sachschäden sowie Datenverluste – haftbar gemacht werden können. Das gilt auch, wenn diese außerhalb der Europäischen Union niedergelassen sind – sei es Hersteller, Händlerin oder Händler, Einführer oder auch eine Online-Plattform.

Offenlegung von Beweismitteln

Mit der neuen Produkthaftungsrichtlinie sollen die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt werden. Zum Abbau der „Informationsasymmetrie“ zwischen Herstellern und Verbraucherinnen sowie Verbrauchern sieht der Entwurf der Europäischen Kommission zum einen vor, dass die Mitgliedstaaten den nationalen Gerichten die Möglichkeit einräumen, die Haftungsverantwortlichen zu zwingen, relevante Informationen und Beweismittel herauszugeben. Vorausgesetzt, die geschädigte Person kann Tatsachen und Belege vorlegen, die den Schadenersatzanspruch plausibel machen. Um aber auch den berechtigten Interessen der Hersteller oder Händlerinnen und Händler zu entsprechen, ist bei der Offenlegung Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Beweislasterleichterungen

Zum anderen soll es bei komplexen Fällen Beweislasterleichterungen geben. Das kann zum Beispiel bei Arzneimitteln, komplizierten Medizinprodukten oder im Zusammenhang mit der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) der Fall sein. Hier kann es für die Betroffenen übermäßig schwierig sein, die Fehlerhaftigkeit des Produkts und den ursächlichen Zusammenhang zum erlittenen Schaden nachzuweisen. In solchen Fällen soll der Beleg ausreichen, dass das Produkt zum Schaden beigetragen hat, dieses wahrscheinlich fehlerhaft war und/oder seine Fehlerhaftigkeit den Schaden wahrscheinlich verursacht hat. Ob es sich um einen Fall handelt, bei dem das Instrument der „Kausalitätsvermutung“ greift, bestimmt ebenfalls das zuständige nationale Gericht.

KI-Haftung

Die Kausalitätsvermutung und die Erleichterung des Zugangs zu Informationen bei Haftungsauseinandersetzungen finden sich auch in einem zweiten Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission wieder, der zeitgleich mit dem Vorschlag zur neuen Produkthaftungsrichtlinie vorgestellt worden ist. Mit der Richtlinie über KI-Haftung (COM(2022) 496 final) soll der Rechtsrahmen in der EU für die Haftung aufgrund Fehlverhaltens modernisiert und auf Schäden durch KI-Systeme erweitert werden. Anders als bei der verschuldensunabhängigen Produkthaftung steht hier die schuldhafte Verantwortung des Herstellers im Fokus. Der Richtlinienentwurf soll dazu beitragen, die unterschiedlichen nationalen verschuldensabhängigen Haftungsvorschriften zu harmonisieren und die Geltendmachung von Ansprüchen, die sich auf Schäden durch KI-Systeme beziehen, zu erleichtern.

Rückenwind aus der EU

Mit ihren Richtlinienvorschlägen setzt die Europäische Kommission ein positives Signal. Rückenwind für mehr Verbraucherschutz dürfte auch in Deutschland willkommen sein.