DSV-Stellungnahme zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS)
Im Fokus müssen gesundheitliche Mehrwerte für Patientinnen und Patienten stehen
CC – 12/2022
Die
Europäische Kommission hat im Mai einen Verordnungsvorschlag zur Schaffung
eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) vorgelegt. Es ist das zentrale
Digitalisierungsvorhaben im gesundheitspolitischen Bereich und ein ambitioniertes
Großprojekt. Die DSV hat sich in
einer Stellungnahme umfassend zum Verordnungsentwurf positioniert. In der Stellungnahme werden neben
detaillierten Anmerkungen auch konkrete Änderungsvorschläge unterbreitet.
Chancen für Patientinnen und Patienten und Sozialversicherungssysteme
Die
DSV begrüßt grundsätzlich die Errichtung eines EHDS. Er bietet die Chance auf
einen Mehrwert für Patientinnen und Patienten und die
Sozialversicherungssysteme, nicht nur durch den digitalen,
grenzüberschreitenden Zugriff auf Gesundheitsdaten für die medizinische Behandlung,
sondern auch durch deren sinnvolle Zusammenführung für Forschung und Politikgestaltung. Allerdings muss der Verordnungsentwurf in 12 Punkten nachgeschärft
werden, u. a. hinsichtlich des vorgesehenen Zeit- und Regulierungsrahmens, der
Mitsprache der Mitgliedstaaten, der Einhaltung von Datenschutzstandards und der
sinnvollen Harmonisierung der Infrastrukturen für die Primär- und
Sekundärdatennutzung.
Harmonisierung bestehender nationaler Strukturen
Die
Mitgliedstaaten tragen die Verantwortung für die Ausgestaltung der sozialen
Sicherungssysteme. Der Aufbau eines EHDS
sollte daher mit Umsicht und dem Anspruch erfolgen, die vorhandenen und
bewährten nationalen Strukturen zu integrieren. Nur wenn mit den
Mitgliedstaaten und den für die Umsetzung zuständigen Institutionen auf
nationaler Ebene gemeinsam tragfähige und praxisgerechte Lösungen erarbeitet
werden, kann ein funktionsfähiger EHDS entstehen. Den Mitgliedstaaten sollten zum
Beispiel beim Erlass der Durchführungsrechtsakte und delegierten Rechtsakte ein
hinreichendes Maß an Kontroll- und Mitsprachemöglichkeiten eingeräumt werden. Die
Sozialversicherungsträger in Deutschland sind im besonderen Maße von den
Regelungsinhalten des EHDS betroffen und müssen umfassend eingebunden werden.
Datennutzung am Gemeinwohl ausrichten
Die
Gesundheitsdatennutzung im Rahmen des EHDS sollte immer im öffentlichen
Interesse erfolgen und dem Gemeinwohl dienen. Aus Sicht der DSV sollten
Innovationen begünstigt werden, die zur Gesundheit oder sozialen Sicherheit
beitragen. Die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und Politikgestaltung
muss vorrangig den Patientinnen und Patienten sowie den Sozial- und
Gesundheitssystemen zugutekommen. Die DSV regt zudem an, die beabsichtigten
Zugriffsrechte der Industrie und die Verwendung von Gesundheitsdaten für
kommerzielle Zwecke kritisch zu überprüfen. Auch die Bekämpfung von
Fehlverhalten im Gesundheitswesen sollte als zusätzlicher Zweck in die
Verordnung aufgenommen werden. Zudem müssen die von der Solidargemeinschaft zur
Verfügung gestellten und von Dritten genutzten Daten zu adäquaten
Gegenleistungen führen, zum Beispiel durch finanzielle Kompensation.
Hohe Datenqualität in elektronischer Patientenakte sichern
Die
DSV warnt vor einer Aufnahme von Daten aus Wellness-Anwendungen in die elektronische
Patientenakte (EHR), solange diese keine ausreichenden Qualitätsstandards
aufweisen. Die von der Europäischen Kommission angestrebte freiwillige
Kennzeichnung von Wellness-Anwendungen zielt ausschließlich auf deren
Interoperabilität ab, ohne jedoch Qualitätsanforderungen zu definieren. Wenig
aussagekräftige Daten aus Wellness-Anwendungen könnten die Datenqualität in der
EHR insgesamt verschlechtern. Deswegen sollten nur die qualitätsgesicherten Daten
von als Medizinprodukt zertifizierten Anwendungen in die EHR aufgenommen werden
können.
Die
DSV-Stellungnahme zum EHDS finden Sie hier.