Europäischer Index für die Würde älterer Menschen
European Elderly Dignity Index
VS – 12/2022
Vor dem
Hintergrund der Alterung der europäischen Gesellschaften hat die Universität
von Barcelona in einem von der spanischen Stiftung Fundación Mutalidad dela
Abogacía geförderten Projekt den europäischen Index für die Würde älterer
Menschen entwickelt.
Dabei werden zwei zentrale
Aspekte für ein menschwürdiges Leben Älterer hervorgehoben: zum einen die Lebensqualität und die Würde älterer Menschen und zum anderen
die für das Wohlbefinden der älteren Menschen erforderlichen Infrastrukturen und Dienstleistungen. Diese Aspekte
werden anhand der Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der
Vereinten Nationen in einem Index bewertet.
Index auf Basis der Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung
Alle europäischen Länder stehen vor der
Herausforderung, dass der Anteil der älteren Menschen steigt und deren
Lebenserwartung zunimmt. Dies hat vielfältige Implikationen, so beispielsweise
für die Finanzierung der Sozialpolitik aber auch für die Ausrichtung der
Sozialpolitik für Ältere. Letzterem Aspekt widmet sich der europäische Index
für die Würde älterer Menschen.
Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen
Grundlage des
Index sind dabei die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der
Vereinten Nationen. Die darin vereinbarten 17 Ziele (sustainable development
goals; kurz: SDG) werden von allen europäischen Staaten mitgetragen. Im Jahr
2020 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Dekade des gesunden Alterns
ausgerufen und hierzu 11 der 17 SDGs herangezogen.
Im Index werden diese für
Ältere relevanten SDGs verwendet und in den folgenden acht Themenfeldern zusammengefasst:
- keine Armut;
- kein Hunger;
- gesundes Leben und Wohlbefinden;
- Bildung;
- Gleichstellung der Geschlechter;
- menschenwürdige Arbeit und nachhaltiges
Wirtschaftswachstum
- Industrie, Innovation und Infrastruktur, Verringerung
der Ungleichheit, nachhaltige Städte und Siedlungen;
- Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen.
Keine Doppelung – Fokus liegt auf Mitte der Gesellschaft ausgerichtet
Die Ziele der
Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen sind eine
Weiterentwicklung der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen. Darin
verpflichteten sich die Regierungen die Armut in der Welt bis 2015 zu halbieren.
Wesentliche Neuerung war, dass die Ziele sich nicht mehr ausschließlich an die
Schwächsten in der Welt richten, sondern explizit auch die Industriestaaten mit
einbeziehen. Auch wurden die betrachteten Zielbereiche deutlich erweitert. Der
Fokus liegt jedoch weiterhin auf der Teilhabe der Schwächsten. Fortschritte bei
der Zielerreichung werden dabei sowohl auf nationaler als auch auf europäischer
Ebene anhand umfangreicher Indikatoren evaluiert (siehe hierzu auch Eurostat).
Der hier
vorgestellte europäische Index für die Würde älterer Menschen ist hierbei nicht
als eine Doppelung bestehender Evaluierungssysteme zu verstehen. Auch wenn die
gleichen Ziele zugrunde liegen, weicht seine Ausrichtung explizit von der der
Vereinten Nationen ab. Der Fokus liegt hier auf der Mitte der Gesellschaft und
nicht wie in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen
auf der Teilhabe der Schwächsten.
Bedeutung für die Sozialversicherung
Die
Sozialversicherungssysteme in den europäischen Ländern unterscheiden sich sowohl
in ihrer Organisationsstruktur als auch in ihrer Ausrichtung. Ältere Menschen sind keine homogene Gruppe. Sie
haben unterschiedliche Bedürfnisse, Möglichkeiten und Probleme. Dies gilt für
das jeweilige Land und umso mehr für Europa insgesamt. Sicher ist
auch die Aussagekraft eines Index begrenzt, der anhand weniger Indikatoren ein
breites Feld von Bereichen betrachtet. Aber trotz all dieser Einschränkungen
liefert der vorgestellte europäische Index für die Würde älterer Menschen wichtige
Hinweise für möglichen Handlungsbedarf.
Gerade
vergleichende Analysen können Stärken und Schwächen einzelner Sozialsysteme
offenlegen. Dabei ist die Frage nach angemessen Leistungen, für die
Sozialversicherung von besonderer Relevanz. Denn dies betrifft die Kernaufgabe der
Sozialversicherungssysteme. Die gesetzliche Rentenversicherung trägt zwar
erheblich zur Vermeidung von Altersarmut bei. Ihre Aufgabe ist jedoch die
Lebensstandardsicherung im Alter. Dabei hilft der bereichsübergreifende Ansatz
des Indexes, das Zusammenspiel der verschiedenen nationalen Systeme und
Politiken besser zu verstehen.