
Antimikrobielle Resistenzen
Neue Untersuchung empfiehlt Einsatz von diagnostischen Tests
UM – 02/2023
Die Health Action International (HAI), eine gemeinnützige
Organisation, die sich für den Zugang zu Arzneimitteln und deren rationale
Verwendung einsetzt, hat im Januar einen Bericht zum Einsatz von Diagnostik im Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen (AMR) veröffentlicht.
Unterstützt wurde sie dabei von der PHG Foundation, einem Think Tank zur
Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch Genomik und verwandte
Technologien. Ihr Credo: Um die Herausforderungen durch antimikrobielle
Resistenzen zu bewältigen, muss die Entwicklung einer genauen und schnellen
Diagnostik Priorität haben.
Die „unsichtbare Epidemie“ – Antimikrobielle Resistenzen
Jährlich sterben in der Europäischen Union (EU)
schätzungsweise 33.000 Menschen an den Folgen von AMR. Die Resistenz gegen
antimikrobielle Mittel verursacht zudem jedes Jahr etwa 1,5 Milliarden Euro an
Gesundheitskosten und Produktivitätsverlusten. Die Entwicklung von
wirkungsvollen Medikamenten ist für die Industrie unattraktiv, da diese oft als
Notreserve zur Bekämpfung von resistenten Keimen zurückgehalten werden müssen
und nicht breitflächig zum Einsatz kommen können. Die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat AMR zu einer der zehn größten Bedrohungen
für die öffentliche Gesundheit der Menschheit erklärt.
Bakteriell oder viral?
Fehl- und Übergebrauch von antimikrobiellen Mitteln sind die
Haupttreiber für die Entwicklung von Resistenzen. Zu den Ansätzen, die Verwendung
von Antibiotika gezielter zu gestalten, gehört auch der Einsatz von
diagnostischen Tests. Diese werden heute noch zurückhaltend eingesetzt. Die
Gründe sind vielfältig und reichen von der Verfügbarkeit bis hin zu
Einschränkungen bei der Nützlichkeit eines Tests für unterschiedliche Szenarien.
Eine Diagnostik am Ort der Behandlung (Point of Care, POC) auf Basis von
gängigen Biomarkern helfe laut der HAI, Infektionen schnell und sicher
hinsichtlich ihres Ursprungs – bakteriell oder viral – zu beurteilen und die
Verschreibung von Medikamenten verantwortungsvoller zu gestalten.
Kosteneffizienz neu definieren
Wesentlich für die künftige Entwicklung sei auch die
Kosteneffizienz von Testverfahren. Häufig würden in den Studien nur die
direkten Kosten für den Test berücksichtigt. Es müsse aber ihr Nutzen für die
Bevölkerung und die Gesundheitssysteme sowie kurz-, mittel- und langfristige
Vorteile aus einer Verringerung der Antibiotikaresistenz durch eine angemessene
Verschreibung einbezogen werden. Der Nationale Gesundheitsdienst in England (NHS)
mache es vor. Dort würden zwei neue antimikrobielle Mittel nach ihrem Wert für
den NHS bezahlt. Die Zahl der Verschreibungen spiele keine Rolle. Diesen Ansatz
solle man auf die Finanzierung diagnostischer Tests ausweiten, so der Vorschlag
der HAI.
Werden diagnostischen Tests zur Pflicht?
Die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen ist einer der
politischen Schwerpunkte im Rahmen der anstehenden Revision der europäischen
Arzneimittelgesetzgebung. Mit Blick darauf ist auch überlegt worden, die
Verwendung von Diagnostika vor der Behandlung mit antimikrobiellen Mitteln
verpflichtender zu machen. So enthält eine im politischen Brüssel kursierende
Vorfassung des Richtlinienentwurfs zum sogenannten „Gemeinschaftskodex für
Humanarzneimittel“ (Richtlinie 2001/83/EG) die explizite Aufforderung an die
Mitgliedstaaten, über die Richtlinienvorschläge hinaus die obligatorische
Anwendung diagnostischer Tests vor der Verschreibung von antimikrobiellen
Arzneimitteln vorzusehen. Der offizielle Vorschlag der Europäischen Kommission
zur Arzneimittelgesetzgebung wird voraussichtlich Ende März veröffentlicht.