Noch keine Einigung im Rat

VS – 02/2023

Die Diskussionen über den von der Europäischen Kommission im Dezember 2021 vorgelegten Richtlinienvorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit gehen in ihre entscheidende Phase. Nachdem es unter der vormaligen tschechischen Ratspräsidentschaft nicht gelungen ist, einen gemeinsamen Standpunkt der Mitgliedstaaten zu verabschieden, strebt die derzeitige schwedische Ratspräsidentschaft eine Einigung im Rat bis Juni 2023 an. Im federführenden Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) des Europäischen Parlaments ist es trotz ursprünglich großer Differenzen zwischen den Fraktionen gelungen, einen Kompromiss zu finden. Auf dieser Basis hat das Plenum des Europäischen Parlaments am 2. Februar seine Position verabschiedet.

Im Rat stehen sich zwei Lager gegenüber

Im Rat liegen die Positionen zur Anwendung der gesetzlichen Vermutung bei der Bestimmung des Beschäftigungsstatus weiterhin weit auseinander. Der nicht angenommene Kompromisstext der tschechischen Ratspräsidentschaft sah vor, die Kriterien zur Statusfeststellung des Beschäftigungsverhältnisses von fünf auf sieben zu erhöhen – die Europäische Kommission hatte in ihrem Richtlinienvorschlag zunächst fünf Kriterien gefordert. Bei Vorliegen von drei der sieben Kriterien soll eine abhängige Beschäftigung vorliegen. Laut dem Kommissionsvorschlag sollte hingegen die gesetzliche Vermutung bereits beim Vorliegen von zwei Kriterien ausgesprochen werden.

Auch wurde eine Formulierung eingeführt, nach der es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, ob ein Widerspruch eine aufschiebende Wirkung gegen die ausgesprochene Vermutung hat. Mit Aufnahme dieser Änderungen in ihren Kompromissvorschlag ist die Ratspräsidentschaft den Forderungen von mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten entgegengekommen. Dem steht eine Gruppe, zu der Portugal, die Niederlande und Spanien gehören, entgegen, die die Rückkehr zum Textvorschlag der Europäischen Kommission fordert. Deutschland hat sich in der Abstimmung enthalten.

Gesetzliche Vermutung ohne verbindliche europäische Kriterien

Im federführenden EMPL-Ausschuss im Europäischen Parlament ist trotz ursprünglich großer Differenzen zwischen den Fraktionen ein mehrheitsfähiger Kompromisstext zustande gekommen. Abweichend vom ursprünglichen Kommissionsvorschlag werden darin der gesetzlichen Vermutung zur Feststellung der abhängigen Beschäftigung keine EU-weit verbindlichen Kriterien zugrunde gelegt, sondern nur acht nicht-obligatorische Kriterien aufgeführt. Darüber hinaus wird sichergestellt, dass die gesetzliche Vermutung nicht zu einer automatischen Neueinstufung des Beschäftigungsverhältnisses aller Plattformbeschäftigten führt. Zentrale Aspekte des Kommissionsentwurfs, wie die nichtaufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die ausgesprochene Vermutung oder die Beweislast der digitalen Arbeitsplattform, sind beibehalten worden. Mit diesem Kompromisstext wird der Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Statusfeststellung deutlich erweitert, während wesentliche Aspekte des Kommissionsvorschlags erhalten bleiben.

Algorithmisches Management

Sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat sind sich einig, dass dem algorithmischen Management in der Richtlinie mehr Bedeutung zugemessen werden muss. Im abgelehnten Kompromisstext der Ratspräsidentschaft wird die Verarbeitung personenbezogener Daten eingeschränkt und die Verpflichtung zur Information und Konsultation im Fall von Änderungen an automatisierten Überwachungs- oder Entscheidungssystemen betont. Das Europäische Parlament hat im beschlossenen Kompromisstext ebenfalls mehr Transparenz und Informationspflichten in Bezug auf den Einsatz automatisierter Instrumente und deren Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis eingefügt.

Schwedische Ratspräsidentschaft am Zug

Die schwedische Ratspräsidentschaft will gemeinsam mit den Mitgliedstaaten einen neuen Kompromissvorschlag erarbeiten. Dieser soll bis spätestens Juni 2023 vereinbart werden, damit unter spanischer Ratspräsidentschaft das Trilogverfahren abgeschlossen werden kann.