Auswirkungen neuer Arbeitsmarktrisiken auf zukünftigen Renten

VS – 03/2023

Die Reformen der Rentensysteme als auch der Wandel der Arbeitswelt sind Gegenstand vielfältiger Analysen und Publikationen. Es gibt jedoch nur wenige Untersuchungen darüber, wie sich die Arbeitsmarktrisiken junger Menschen und die Rentenreformen der letzten Jahre auf deren Alterssicherung auswirken. Die gemeinsame Diskussion der beiden Prozesse ist Gegenstand der Publikation „Youth Employment Insecurity and Pension Adequacy“.

Junge Erwachsene – Verlierer der Globalisierung

Die Globalisierung geht mit zunehmenden Anforderungen an flexiblere Arbeitsformen einher. Insbesondere Beschäftigte jenseits der Kernbelegschaften sehen sich immer größeren Flexibilitätsanforderungen ausgesetzt. Hierzu zählen auch junge Erwerbstätige. Diese gehen zunehmend einer atypischen Beschäftigung nach, beispielsweise in Form von Plattformbeschäftigung oder befristeter Beschäftigung. Auch ist ihre Erwerbssituation zunehmend unsicherer geworden. So ist in den letzten Jahren der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse angestiegen und das Arbeitslosigkeitsrisiko junger Erwachsener verharrt seit der Wirtschafts- und Finanzkrise auf einem hohen, weit überdurchschnittlichen Niveau.

Rentenreformtrend zu größer Beitragsäquivalenz

Die Autoren und Autorinnen betonen, dass die meisten staatlichen einkommensabhängigen Rentensysteme so konzipiert sind, dass volle, angemessene Rentenleistungen nur bei ununterbrochener, überwiegend Vollzeitbeschäftigung während des gesamten Erwerbslebens gewährt werden. In Folge der Herausforderungen des demografischen Wandels ist in den vergangenen Jahren die Beitragsäquivalenz, also der Bezug zwischen Rentenbeiträgen und Rentenleistungen, über die gesamte Erwerbsphase in den meisten europäischen Ländern gestärkt worden. Diese Reformen sind explizit auch mit dem Ziel durchgeführt worden, Anreize für eine höhere Erwerbsbeteiligung von Älteren und Frauen zu schaffen. Hingegen wirken sich Zeiten in atypischen oder befristeten Arbeitsverhältnissen sowie in Arbeitslosigkeit in Folge dieser Reformen verstärkt negativ auf zukünftige Rentenansprüche aus.

Begleitet wird diese Entwicklung durch den Ausbau von Mehrsäulensystemen. Die Lebensstandardsicherung zukünftiger Rentnerhaushalte soll dabei verstärkt auch durch die betriebliche und private Alterssicherung erfolgen. Insbesondere bei der privaten Alterssicherung und bei beitragsdefinierten Betriebsrenten sind wegen des Zinseszinseffekts frühzeitige Beiträge für die zukünftigen Rentenansprüche von großer Bedeutung. Darüber hinaus basiert die betriebliche Alterssicherung auf dem Bestehen eines Arbeitsvertrags und schließt somit Arbeitslose und Selbstständige aus. Dabei besteht selbst innerhalb der erwerbstätigen Bevölkerung kein universeller Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung. Vielmehr richtet sich diese oft gezielt an die Kernbelegschaft. Beschäftigte in atypischen Arbeitsverhältnissen haben daher oft auch keinen Zugang zur betrieblichen Alterssicherung.

Freiwillige Altersvorsorge ist keine Option

Der Zugang zu Beschäftigung hat sich für junge Erwachsene erschwert und Phasen atypischer Beschäftigung sowie unsicherer Erwerbssituation haben deutlich zugenommen. Dies bestimmt auch die Einkommenssituation von jungen Erwachsenen. Gleichzeitig wird die zusätzliche private, meist freiwillige Altersvorsorge gerade für heutige junge Erwachsene immer wichtiger. Die Beiträge in der Publikation zeigen, dass diese Anforderungen die jungen Erwachsenen überfordern. Alterssicherung wird durchaus als wichtig wahrgenommen, aber Ersparnisse können nur im geringen Umfang aufgebaut werden und dienen dann oft der Absicherung vor kurzfristigen Lebensrisiken. Hierzu zählen auch Phasen in Arbeitslosigkeit, die aufgrund atypischer Erwerbsverläufe oft nicht über die Arbeitslosenversicherung abgesichert sind. Dabei wird die Alterssicherung durchaus als wichtig wahrgenommen. Doch es gilt meist kurzfristige finanzielle Probleme zu lösen.

Reformbedarf bei Arbeitsmarktintegration und Altersvorsorge

Die Autorinnen und Autoren sehen erheblichen Reformbedarf für junge Erwachsene beim Zugang zum Sozialschutz im Arbeitsmarkt und formulieren konkrete Forderungen für eine bessere Absicherung in der Rentenversicherung. So muss der Zugang zum Sozialschutz auch in atypischen Beschäftigungsformen gewährt werden, wie dies auch Grundsatz 12 der europäischen Säule sozialer Rechte fordert. Auch darf die betriebliche Altersvorsorge nicht auf die Kernbelegschaft beschränkt werden. Außerdem sollte auch für Zeiten in Arbeitslosigkeit ein ausreichendes Mindestbeitragsniveau gewährleistet werden.