Engpässe bei Arzneimitteln
Die Analyse von Lieferbeziehungen ist wichtig, um Versorgungsengpässe zu vermeiden
UM – 04/2023
Anfang des Jahres machten Meldungen
Schlagzeilen, dass nahezu alle EU-Länder in den letzten Monaten Engpässe bei
Arzneimitteln gemeldet haben. Insbesondere Antibiotika waren betroffen. Auch
wenn sich die Situation mit dem Ausklingen des Winters etwas verbessert hat –
grundlegende Probleme sind geblieben. Eine Studie ”The anatomy of the current antibiotics shortage“ eines neu gegründeten Instituts ”Supply Chain Intelligence
Institute Austria (ASCII)“ will zeigen: Die Probleme sind zu einem guten Teil hausgemacht.
Der erste Schritt zur Besserung: Die Kenntnis über die Marktzusammenhänge vertiefen.
Dazu will sich das ASCII mit lieferkettenbezogenen Fragestellungen datenbezogen
auseinandersetzen. Unterstützt wird es dabei vom ”Complexity Science Hub
(CSH)“, einem Verein zur Untersuchung komplexer Systeme und eines von vier
Gründungsmitgliedern des ASCII.
Lieferbeziehungen analysieren
Um einen ersten Beitrag zu leisten,
hat ein Team unter Leitung des Physikers Peter Klimek die globalen Lieferketten
für sechs der am häufigsten verschriebenen Antibiotikagruppen über die letzten
zehn Jahre nachgezeichnet. Unter Hinzuziehung von Produktions- und Importdaten
ist eine Art Atlas entstanden, der den Grad der direkten und indirekten Abhängigkeit
der Länder untereinander wiedergibt. So auch für Deutschland.
Globale Einbindung Deutschlands
Unterschieden wird nach Wirkstoffen, unter
anderem Penicillin, Streptomycin, Tetracyclin, sowie unverpackten und
verpackten Produkten. Die Darstellung zeigt
zum Beispiel für Deutschland eine hohe Abhängigkeit bei antibikrobiellen Wirkstoffen
von China. Speziell bei Penicillin hingegen spielt der indische Markt eine bedeutendere
Rolle. Bei Tetracyclin ist die Abhängigkeit von Italien und Belgien größer. Bei
verpackten Produkten wiederum sind die Vereinigten Staaten der wichtigste Handelspartner;
sowohl was den Export als auch den Import betrifft. Dies soll zeigen: Die
Analyse von Lieferkettenproblemen setzt die genaue Kenntnis der jeweiligen Lieferbeziehungen
voraus.
Daten verfügbar machen
Um kurzfristig Abhilfe zu schaffen und
Engpässen bei Antibiotika vorzubauen, empfehlen die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler des ASCII die Verbesserung der Daten-, Planungs- und
Prognoseinfrastruktur. Dabei solle man sich auf die Knappheiten nicht substituierbarer
Arzneimittel konzentrieren. Eine evidenzbasierte Bedarfsplanung könnte die
Grundlage für den Aufbau stabiler Lieferbeziehungen bilden, die die Hersteller über
mehrere Jahre einbinden. Zusätzliche Kapazitäten könnten in Notfällen Engpässe
von vornherein beheben. (Empfehlungen siehe hier).
Europa ist gut aufgestellt
Die Europäische Union (EU) sei vergleichsweise
gut aufgestellt, so das ASCII. Mit dem Binnenmarkt hielte sie ein
leistungsfähiges Instrument in den Händen. Koordinierte und stärker zentralisierte
EU-Bestände könnten beitragen, die Sicherheitsbestände insgesamt zu verringern
und ein effizientes Bevorratungssystem schaffen. Mehr Zusammenarbeit sei auch bei Prognose und
Beschaffung hilfreich. Zudem werden Erstattungsmodelle vorgeschlagen, bei denen
die Entwicklungskosten von den Verkaufszahlen abgekoppelt werden. Der Mangel an
Antibiotika müsse unter Beachtung des Risikos von Antibiotikaresistenzen
angegangen werden.