Während das Europäische Parlament umfassende Forderungen aufstellt, weichen die Länder im Rat allzu strenge Vorgaben auf

UM – 06/2023

Das Europäische Parlament hat am 1. Juni mit großer Mehrheit eine Entschließung zur Ergreifung von Maßnahmen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (AMR) angenommen. 525 Parlamentarierinnen und Parlamentarier stimmten mit Ja, 33 enthielten sich und nur zwei Abgeordnete stimmten dagegen. Mit seiner Entschließung will das Europäische Parlament Entschiedenheit demonstrieren. Sollten sich die den Mitgliedstaaten empfohlenen Maßnahmen als unzureichend erweisen, seien zusätzliche EU-Gesetzgebungsmaßnahmen zu ergreifen.

Antibiotika umsichtig gebrauchen

In seiner Entschließung fordert das Europäische Parlament die EU-Länder nachdrücklich auf, ihre Aktionspläne zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen umzusetzen. Zweifel bestehen an deren Nachhaltigkeit, deshalb sollen sie künftig alle zwei Jahre aktualisiert werden. Der besonnene Umgang mit Antibiotika müsse im Rahmen der Aktionspläne Priorität haben. Lücken in der Überwachung von antimikrobiellen Resistenzen seien zu schließen. Die Infektionsprävention und -kontrolle sei durch diverse Maßnahmen zu stärken. Insbesondere appellieren die Abgeordneten auch an die Länder, den in dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Intensivierung der EU-Maßnahmen zur Bekämpfung von AMR im Rahmen des Konzepts „Eine Gesundheit“ genannten Zielwert zur Senkung des Antibiotikaverbrauchs von 20 Prozent bis zum Jahr 2030 sicherzustellen. Daneben sei die Aus- und Weiterbildung für die Gesundheitsberufe mit Blick auf AMR und ihre umsichtige Verwendung zu intensivieren.

Die Europäische Kommission hingegen soll eine Datenbank auf EU-Ebene zu AMR und zum Einsatz antimikrobieller Mittel für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt einrichten.

Nein zur antimikrobiellen Infektionsprävention

Gemeinsam sollen Europäische Kommission und Länder finanzielle Mittel für ein Pull-Anreizsystem bündeln, dass Anzahl und Tempo der Antibiotikabereitstellung erhöht, indem gleichsam neue Produkte durch das System von der Marktzulassung bis zum Verlust des Patentschutzes „gezogen“ werden, zum Beispiel durch eine staatlich garantierte Rendite. Daneben sollen ausreichende Mittel für die Erforschung alternativer Behandlungsmethoden, einschließlich Bakteriophagen, bereitgestellt und relevante Forschungsdaten ausgetauscht werden. Für die Gesundheit von Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, seien die Landwirte über alternative Methoden zur Vermeidung von Infektionskrankheiten aufzuklären und dem Bann der prophylaktischen Gabe von antimikrobiellen Mitteln umfassend Geltung zu verschaffen.

Ratsempfehlung werden weicher

Der Ansatz der Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist detailliert und wartet mit knapp 60 Forderungen auf. Anders als die nunmehr kurz vor dem Abschluss stehende Ratsempfehlung – diese soll im Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) bereits am 13. Juni angenommen werden – bezieht die Entschließung die Bereiche der Tiermast und -medizin sowie die Umwelt weitergehend ein, als es die Ratsempfehlung tut. Die Europäische Kommission hatte mit Verweis auf die Erfolge im Veterinärsektor in den letzten Jahren, unter anderem mit der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, ihren Schwerpunkt bewußt auf den Bereich der menschlichen Gesundheit gelegt. Die aktuellen Dokumente aus dem Rat legen nahe, dass sich die Länder hinsichtlich der ehrgeizigen Zielen zur Senkung des Antibiotikaverbrauchs bis zum Jahr 2030 nicht so ganz streng an die Leine legen lassen wollen, wie es die Europäische Kommission ursprünglich beabsichtigt hat. Die im Anhang zum Entwurf vorgegebenen Reduktionswerte müssen nicht mehr, sondern sollen nur noch erreicht werden.