
Gleichbehandlung und faire Arbeitsbedingungen
Gewerkschaften schlagen Richtlinie für Arbeitsvermittler und Leiharbeit vor
MB – 06/2023
Am 31. Mai hat die
European Federation of Food, Agriculture, and Tourism Trade Unions (EFFAT) eine Konferenz zum Thema “Mobile and Migrant Workers: What´s
the Road ahead for their Protection in Europe?” organisiert, an der neben
Gewerkschaftsvertretern auch Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte und drei Europaabgeordnete teilgenommen haben: Dennis Radtke (EPP/DE), Gabriele Bischoff (S&D/DE) und Nikolaj Villumsen (Linke/DK).
In erster Linie ging es um die Situation von Arbeitsmigrantinnen und
-migranten bzw. mobilen Arbeitskräften, die im Bereich der Agrarwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung und im Tourismusbereich beschäftigt sind. Im
Fokus standen dabei die Arbeitsvermittlung sowie die Situation von
Leiharbeitnehmern auf den EU-Arbeitsmarkt. EFFAT hat dazu den Entwurf einer
Richtlinie zu einer besseren Regulierung der Arbeitsvermittlung und zur
Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern vorgestellt.
Die Realität ist das beste Aufklärungs-/ Lehrmittel
Mit dieser Aussage umschrieb Frau Bischoff die Missstände, die
viele Arbeitsmigranten auf den verschiedenen europäischen Arbeitsmärkten
erleben. Zu Wort kamen dabei Frauen und Männer aus EU-Mitgliedstaaten, aber
auch aus Drittstaaten (z.B. Sri Lanka, Philippinen), die teilweise bereits sehr
lange durch Arbeitsvermittler oder als Leiharbeiter beschäftigt sind.
Die Betroffenen berichten darüber, dass ihre tatsächlichen
Arbeitszeiten nicht korrekt erfasst und sie damit weniger Lohn erhalten würden.
Personen, die unter Beteiligung von Arbeitsvermittlern beschäftigt sind,
beschrieben wie ihnen aufgrund verschiedener „Kommissionen“ von ihrem
eigentlichen Lohn nur ein Bruchteil verbleibt, weil von ihrem eigentlichen
Entgelt Gebühren für den Vermittler, den Transfer zum Arbeitsort oder aber auch
Arbeitshilfsmittel einbehalten werden.
Lösungsansatz von EFFAT für eine bessere Regulierung
Die Gewerkschaften verfolgen mit ihrem Richtlinien-Vorschlag drei Hauptziele:
- Gleichbehandlung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem
Betrieb,
- Regulierung der Aktivitäten von Arbeitsvermittlern und Schaffung eines
Registers sowie
- bessere und effizientere Arbeitskontrollen.
Die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soll dazu
führen, dass für gleiche Arbeit gleiches Arbeitsentgelt gezahlt werden muss.
Daher sollen keine Subverträge für Kerntätigkeiten eines Unternehmens vergeben
werden. Auch soll die Anzahl der Subunternehmer auf drei Unteraufträge begrenzt
werden, so dass mehr Transparenz besteht, wer Hauptauftragnehmer und
Unterauftragnehmer ist. Die Haftung soll im Sinne einer gesamtschuldnerischen
Haftung für die vollständige Kette geregelt werden, so dass neben der Frage des
Arbeitsentgelts auch die ordentliche Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen
sowie sonstige soziale Verpflichtungen sichergestellt sind.
Im Bereich der Arbeitsvermittlung fordern die Gewerkschaften ein
EU-Register für alle Unternehmen, die als Einstellungs- oder
Vermittlungsagentur auf dem EU-Markt tätig sind. Wichtig ist eine klare
Regelung, dass etwaige Vermittlungsgebühren nicht zu Lasten der Arbeitskräfte
gehen. Denkbar ist für die Gewerkschaften, dass bestimmte Sektoren komplett
durch die mitgliedstaatlichen Arbeitsverwaltungen betreut werden und somit
Arbeitsvermittlern das Handlungsfeld in diesen Bereichen komplett entzogen
wird.
Als drittes Kernziel formulieren die Gewerkschaften den Bedarf nach
besseren, regelmäßigen und effizienten Arbeitsinspektionen in allen
Mitgliedstaaten. Dies bedingt eine klare Festlegung und Regelung der
zuständigen Stellen und ihrer Befugnisse sowie eine Kooperation verschiedener
Stellen (z.B. Sozialversicherungs-, Steuer- oder Zollbehörden, ggf.
grenzüberschreitend). In diesem Zusammenhang wird eine bessere digitale
Kooperation zwischen den Behörden gefordert.
Reaktion aus der Sicht des Europäischen Parlaments
Der Vorschlag der Gewerkschaften fand die Zustimmung der anwesenden Europaabgeordneten. Bischoff ist die Gleichbehandlung von Arbeitsmigranten ein wichtiges Anliegen.
Der Vorschlag von EFFAT kommt aus ihrer Sicht zum rechten Zeitpunkt, da sich
die Parteien auf die Europawahl 2024 vorbereiten müssen. Zur Thematik der
Arbeitsinspektion wies sie insbesondere auf die Digitalisierungsprojekte im
Bereich der VO (EU) Nr. 883/2004 hin, die auch zu einer besseren, digitalen
Kontrolle beitragen werden.
Villumsen betonte, dass seine Fraktion den Vorschlag im
Hinblick auf die Situation am Arbeitsmarkt, die oft von Ausbeutung und sogar
Kriminalität geprägt sei, unterstützt. Aus
seiner Sicht können durch Tarifverträge gleiche Rechte für alle
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht werden. Durch die Verstärkung von
Arbeitsinspektionen können die Einhaltung der Regelwerke überprüft werden. Auch
für ihn hat eine europäische, digitale Identität den Vorteil, dass Kontrollen
vereinfacht und verbessert werden.
Für Radtke kann die Europäische Kommission im Bereich der
Arbeitsinspektion mehr machen und auch die Europäische Arbeitsbehörde (ELA)
könnte hier zukünftig mehr Aufgaben übernehmen. Sofern im Rahmen von
Inspektionen kriminelle Strukturen aufgedeckt würden, wäre für ihn auch eine
Kooperation der ELA mit EUROPOL denkbar. Ein Transparenzregister für
Arbeitsvermittler in der EU begrüßt er ausdrücklich.
Was sagt Kommissar Schmit dazu?
Kommissar Schmit betonte als Reaktion auf die Berichte der
Arbeitsmigrantinnen und -migranten, dass es in einem sozialen Europa keinen
Unterschied zwischen lokalen Arbeitskräften und Arbeitsmigranten geben dürfe.
Es gelte der Grundsatz, gleiches Recht für alle. Das Problem mit den
Arbeitsvermittlern, was ihn teilweise an Sklaverei erinnern würde, und der
fehlenden Inspektionen müsse dringend angegangen werden. Der Vorschlag der
EFFAT sollte auf die To-Do-Liste für die neue Europäische Kommission ab 2024 gesetzt
werden.