Analyserahmen für soziale Konvergenz
Aus sozialem Warnmechanismus wird ein Analyserahmen
VS – 06/2023
Der Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik,
Gesundheit und Verbraucherschutz“ (EPSCO) hat sich am 12. Juni mit dem
Vorschlag für einen Analyserahmen für soziale Konvergenz befasst.
Aufbauend auf der spanisch-belgischen Initiative zur
Einführung eines Warnmechanismus bei sozialen Ungleichgewichten (social
imbalance procedure) auf dem Sozialgipfel in Porto 2021 haben
Beschäftigungsschuss (EMCO) und Sozialschutz (SPC) diesen Analyserahmen
entwickelt. Damit sollen die Fortschritte aber auch zusätzlicher
Handlungsbedarf bei der sozialen Konvergenz in den verschiedenen Bereichen der
europäischen Säule sozialer Rechte festgestellt werden. Auch soll hierdurch die
soziale Dimension im europäischen Semester gestärkt werden.
Spanisch-belgische Initiative
Im
Vorfeld des Sozialgipfels von Porto im Mai 2021 haben Spanien und Belgien in
einem "Non-Paper" gefordert, dass die EU neben den wirtschaftlichen auch die sozialen Ungleichgewichte
angehe. Zu diesem Zweck haben sie ein neues Verfahren vorgeschlagen, dass in
Anlehnung an das makroökonomische Ungleichgewichtsverfahren (MIP) bei sozialen Ungleichgewichtigen detailliertere Folgediskussionen
auf Ausschuss- und Ministerebene auslösen soll. Das MIP ist im Herbst 2011 in
Folge der Euro- sowie der Wirtschafts- und Finanzkrise eingeführt worden. Es
dient der Prävention und Korrektur von riskanten makroökonomischen
Entwicklungen. Aufgabe des MIP ist dringenden Handlungsbedarf auf Ebene von EU
und Mitgliedstaaten auszulösen. Damit bestimmt das MIP die weitere Ausrichtung
des europäischen Semesters. Aus Sicht von Belgien und Spanien sollte dem MIP
ein soziales Ungleichgewichtsverfahren zur Seite gestellt werden.
Diese Initiative wurde während des EPSCO-Rates am 15. Oktober 2021
diskutiert und stieß auf ein geteiltes Echo. Während mehrere Mitgliedstaaten,
darunter auch Deutschland, den Vorschlag ausdrücklich unterstützen,
bezweifelten andere deren Mehrwert.
Analyserahmen für soziale Konvergenz
Während
der französischen Ratspräsidentschaft wurde dem beschäftigungspolitischen
Ausschuss (EMCO) und dem Sozialschutzausschuss (SPC) das Mandat erteilt, aufbauend
auf der spanisch-belgischen Initiative Vorschläge zu entwickeln, wie die
soziale Dimension im Europäischen Semester gestärkt werden kann. Hierzu
richteten die beiden Ausschüsse im September 2022 eine gemeinsame Arbeitsgruppe
ein. Deren Abschlussbericht am 12. Mai von EMCO und SPC angenommen wurde.
Die
Überlegungen der Arbeitsgruppe zielen darauf ab, das in der europäischen Säule
sozialer Rechte (ESSR) für den Bereich der Sozial- und Beschäftigungspolitik
formulierte zentrale Ziel der Aufwärtskonvergenz, also der Konvergenz in
Richtung der leistungsfähigsten sozialen Sicherungssysteme zu stärken.
Einbindung in das europäische Semester
Die
Arbeitsgruppe schlägt eine zweistufige Analyse vor: In der ersten Stufe sollen
im gemeinsamen Beschäftigungsbericht die Mitgliedstaaten ermittelt werden, die
nur geringe Fortschritte bei der sozialen Aufwärtskonvergenz erzielen. Hierzu
soll ein neuer Analyserahmen auf Basis des Social
Scoreboards entwickelt werden. In der zweiten Stufe würden für diese
Mitgliedstaaten vertiefende "Berichte zur sozialen Konvergenz" erstellt,
die den Rat über Herausforderungen für die soziale Aufwärtskonvergenz
informieren und in die länderspezifischen Empfehlungen des europäischen Rats
einfließen können.
Im
Unterschied zur spanisch-belgischen Initiative für einen Warnmechanismus bei
sozialen Ungleichgewichten steht der Analyserahmen
für soziale Konvergenz nicht am Beginn des europäischen Semesters und bestimmt
nicht gemeinsam mit dem MIP die Ausrichtung des europäischen Semesters.
Vielmehr dient der Analyserahmen der besseren Einbeziehung der ESSR in das
europäische Semester. Damit soll das gemeinsame europäische Ziel der sozialen
Aufwärtskonvergenz stärker bei der Formulierung der länderspezifischen
Empfehlungen berücksichtigt werden.
Wie geht es weiter?
Der
EPSCO hat den Analyserahmen für soziale Konvergenz am 12. Juni diskutiert und
dem europäischen Rat weitergeleitet, der am 29. und 30. Juni über die
Weiterentwicklung des europäischen Semesters diskutieren wird.