Belgische Regierung einigt sich auf Rentenreform
Erhöhung der Erwerbstätigkeit älterer Menschen
VS – 07/2023
Am 10. Juli hat sich die belgische Regierung auf eine Rentenreform
geeinigt. Damit wird die vor einem Jahr
getroffene Vereinbarung [siehe News
vom Juli 2022] korrigiert und ergänzt. Reformziele sind weiterhin die Erhöhung der
Erwerbstätigkeit älterer Menschen sowie die Erhöhung der Rentenansprüche von Frauen. Ein
weiterer Fokus gilt der finanziellen Tragfähigkeit des Rentensystems. So sollen
die Reformmaßnahmen den prognostizierten Anstieg der Rentenausgaben am Bruttoinlandsprodukt
(BIP) bis zum Jahr 2070 um 0,5 Prozentpunkte senken. Damit kommt die belgische
Regierung Forderungen der Europäischen Kommission nach und ebnet den Weg für die
Freigabe der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds der Europäischen Union.
Neuer Rentenbonus
Im Zentrum der Reform steht unter anderem ein Rentenbonus. Der
Rentenbonus richtet sich an langjährige Versicherte, die die Bedingungen für
einen vorzeitigen abschlagsfreien Rentenzugang erfüllen.
Im Jahr 2015 hatte die Regierung Michel diesen Rentenbonus noch
abgeschafft. Die damit verbunden Erwartungen einer Erhöhung des tatsächlichen
Renteneintrittsalters hatten sich nicht erfüllt. Beim neuen Rentenbonus will
man jetzt einiges anders machen. Neben einem Zuschlag zur monatlichen Rente kann
nun auch eine einmalige Auszahlung gewählt werden. Bei einer Verlängerung der
Erwerbsphase um maximal drei Jahre beträgt diese Einmalauszahlung 22.645 Euro
(Netto). Die Versicherten können den Rentenbonus erhalten, wenn sie erst nach
45 Beitragsjahren in Rente gehen. Dabei wird nicht unterschieden, ob es sich um
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Beamte oder Selbstständige handelt.
Durch die Begrenzung des Rentenbonus auf langjährig Versicherte sollen
Mitnahmeeffekte weitestgehend vermieden werden. Diese haben wesentlich
zur Abschaffung der alten Bonusregelung beigetragen. Von der damaligen Regelung hatten primär gutverdienende Akademiker profitiert, obwohl sie auch
ohne Bonus über die Regelaltersgrenze hinaus gearbeitet hätten.
Mindestrente: letzte Erhöhung wird begrenzt
Ein weiterer Baustein der Rentenreform bezieht sich auf die
Mindestrente. Die Regierung hatte sich verpflichtet, die Mindestrente innerhalb
von vier Jahren zwischen 2020 und 2024 schrittweise auf 1.500 Euro netto
anzuheben. Angesichts der besonders hohen Inflation im Jahr 2022 hat die
Mindestrente dieses Ziel bereits übertroffen. Nach der dritten Erhöhung um 2,6 Prozent
im Januar 2023 beträgt die Mindestrente 1.549 Euro netto pro Monat für eine
alleinstehende Person und 2.045 Euro für Paarhaushalte. Die vierte und letzte
Erhöhung, die für den ersten Januar 2024 vorgesehen ist, soll entsprechend der
Preisentwicklung angepasst werden, jedoch nicht über 1.622 Euro hinausgehen.
Mindestrente: Zugang von Frauen wird verbessert
Im Rahmen der Rentenreform vom Juli 2022 wurden auch die Bedingungen für
den Bezug der Mindestrente verschärft. Für den Bezug werden 30 Anwartschaftsjahre
und 5.000 effektive Arbeitstage benötig. Dies entspricht 20 Jahren in 80-prozentiger
Teilzeit oder 16 Jahren in Vollzeit.
Um die Auswirkungen dieser Reform auf Frauen abzumildern, deren
Karrieren im Allgemeinen kürzer und fragmentierter sind und die daher seltener die
Bedingung für die effektiven Arbeitstage erfüllen, sollen auch Mutterschafts-,
Erziehungs- und Pflegezeiten als effektive Arbeitszeiten gewertet werden.
Kürzungen bei den Beamtenpensionen
Die Beamtenpensionen werden entsprechend der Gehaltsentwicklung der
aktiven Beamten angepasst. Somit übersteigt deren Anpassungen in der Regel die der
abhängigen Beschäftigten und Selbstständigen. Deren Renten werden entsprechend der
Preisentwicklung indexiert. In Zukunft soll die Anpassung der Beamtenpensionen
maximal 0,3 Prozent stärker steigen als die Inflationsrate.
Die Begrenzung der Anpassung trägt mit 2,4 Milliarden Euro pro Jahr
wesentlich zu den Einsparungen des Reformpakets in Höhe von 3 Milliarden Euro
pro Jahr bei.
Besteuerung hoher Zusatzrenten
Der Steuersatz von Zusatzrenten ab 30.000 Euro im Monat wird von drei
Prozent auf sechs Prozent erhöht. Damit sollen zusätzliche Einnahmen von 600
Millionen Euro pro Jahr generiert werden, allerdings erst ab dem 1. Januar 2028.
Damit kommt die belgische Regierung den Sozialpartnern entgegen, die im
Frühjahr die Beibehaltung des Status Quo gefordert haben. Von der erhöhten
Besteuerung sind etwa 2000 Bezieherinnen und Bezieher von Zusatzrenten
betroffen.
So geht es weiter:
Die Rentenreform soll nach der Sommerpause im parlamentarischen
Verfahren beraten und verabschiedet werden. Inkrafttreten soll die Rentenreform
zum 1. Januar 2024.