Rede zur Lage der EU
Inoffizieller Auftakt für den Europawahlkampf.
IF – 09/2023
Am 14. September hat die Präsidentin der Europäischen
Kommission Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament in Straßburg ihre
jährliche Rede
zur Lage der Europäischen Union (EU) gehalten, ihre letzte
vor den Europawahlen im Juni 2024. Es war alles andere als eine gewöhnliche Ansprache.
Selten zuvor hat sich Europa in einem ähnlich fragilen politischen Umfeld
befunden. Nicht überraschend war, dass sich die drängendsten Themen in Von der Leyens
Rede wiederfanden - der andauernde russische Angriffskrieg gegen die Ukraine,
die Klimakrise, der Umgang mit Asyl und Migration und schließlich die Rolle
Europas in der Welt.
Grün, grüner und klar europäisch
Daneben stand auch das Bekenntnis zum politischen
Großprojekt des Europäischen
Green Deals und dessen Umsetzung im Vordergrund. Bis 2050
soll Europa klimaneutral werden. Der fortwährende Kampf gegen durch den
Klimawandel bedingte Katastrophen und das Ziel der Umgestaltung der
europäischen Wirtschaft und Industrie sei nicht nur für die aktuelle Europäische
Kommission eine zentrale Aufgabe. Sie bleibe es auch in der nächsten
Legislaturperiode. Von der Leyen erhofft sich dadurch mehr Investitionen der
Mitgliedstaaten, Wirtschaftswachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Zustimmung
findet sie dafür nicht überall, insbesondere auch nicht bei den Europaabgeordneten
ihrer eigenen Fraktion in Brüssel, die der Europäischen Volkspartei (EVP).
Diese fiel vermehrt durch Abstimmungsquerschüsse bei Einzelinitiativen des
Europäischen Green Deals gegen ihre Präsidentin auf. Von der Leyen ließ sich
davon bisher aber (noch) nicht beirren.
Lage der Menschen in der EU
Auffällig blieb, dass Von der Leyen weder für die
anhaltende Teuerung Lösungen präsentierte, Hilfspläne für die EU-Bürgerinnen
und -bürger ankündigte noch eine Vision zur sozialen Lage erkennen ließ. Nicht
nur Menschen im Niedriglohnbereich leiden unter den steigenden Kosten für
Lebensmittel, Wohnen und Mobilität; auch Menschen mit mittlerem Einkommen
spüren den Anstieg deutlich. Zwar erwähnte Sie, wie wichtig die Umsetzung
der Europäischen Säule sozialer Rechte ist, inhaltlich wurde sie
aber nicht. Eher am Rande erwähnte Sie, dass der Auf-
und Ausbau der Europäischen Gesundheitsunion auch in den nächsten Jahren weiterverfolgt
werden soll.
Rätselraten um Spitzenposten
Ob Von der Leyen jedoch
weiterhin an der Spitze der Europäischen Kommission noch mitbestimmen möchte
und eine weitere Legislaturperiode anstrebt, ist derzeit noch offen. Zunächst
benötigt Sie die Unterstützung von Frankreich und Deutschland, um als starke
Kandidatin in die Wahl durch die Staats- und Regierungschefs zu gehen. Sie könnte
aber auch in ihrer Heimat Niedersachsen einen klassischen Europawahlkampf
führen, um sich zumindest ein Mandat als
offiziell gewählte Europaabgeordnete zu sichern. Sie selbst hat sich noch nicht
positioniert. Gegenkandidaturen für den EU-Top Job gibt es bisher nicht.