In Österreich und Italien sollen Sozialleistungen an die Aufenthaltsdauer geknüpft werden.

VS – 09/2023

Erst im Januar hat der Rat die Empfehlung für eine angemessene Mindestsicherung angenommen. Zurecht wurde dies als wichtiger Schritt zu einem sozialen Europa gefeiert. Die aktuellen Diskussionen in Österreich oder die im Mai in Kraft getretene neue Mindesteinkommensregelung in Italien sprechen jedoch eine andere Sprache. In beiden Fällen gilt die dänische Regelung als Vorbild, die den Anspruch des Leistungsempfängers an eine Mindestwohnsitzdauer und Beschäftigungsdauer knüpft.

Das dänische Vorbild

Auf dem Europäischen Rat von Edinburgh im Dezember 1992 ist vereinbart worden, dass Dänemark das Recht behält, seine eigene Politik in Fragen der Verteilung des Wohlstands und der Sozialleistungen zu verfolgen. Die grundsätzliche Regelung in der Europäischen Union (EU), wonach für EU-Ausländer und Inländer die gleichen Anspruchsvoraussetzungen bestehen, gelten daher für Dänemark nicht in vollem Umfang. Hiervon macht Dänemark beim Bezug von Mindestsicherungsleistungen Gebrauch. Recht auf Mindestsicherungsleistungen hat, wer während der letzten zehn Jahre mindestens neun an einem Stück in Dänemark gelebt hat und davon mindestens zweieinhalb Jahre in Vollzeit gearbeitet hat. Diese Regelung gilt auch für Däninnen und Dänen. Allerdings haben diese Anspruch auf Gelder für ‚Selbsterhaltung und Repatriierung‘, die dem Umfang der Mindestsicherungsleistung entsprechen, so dass sie nicht auf die Mindestsicherungsleistung angewiesen sind

Neue Regeln in Italien

Im Mai dieses Jahres ist in Italien eine neue Mindesteinkommensregelung in Kraft getreten. Darin ist trotz des im Februar von der Europäischen Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens gegenüber der zuvor gültigen Regelung der Leistungsanspruch an die Wohnsitzdauer gebunden. Im Rahmen der neuen Regelung wurde zwar die Mindestwohnsitzdauer von zehn auf fünf Jahre verkürzt, erfordert aber immer noch einen zweijährigen ununterbrochenen Wohnsitz.

Österreichische Gedankenspiele

In Österreich hat Innenministerin Raab (ÖVP) vorgeschlagen, ähnlich wie in Dänemark die vollen Sozialleistungen an die Dauer des Aufenthalts und eine bestimmte Beschäftigungsdauer zu knüpfen. Dieser Ansatz soll unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsstatus allgemein gelten. Sie zielt aber explizit auf eine Reduzierung der Zuwanderung ab. Konkrete Vorschläge, auf welche Leistungen diese Kriterien Anwendung finden sollen, sind von der Ministerin noch nicht vorgelegt worden. Der grüne Koalitionspartner hat sich in ersten Stellungnahmen gegen diese Gedankenspiele ausgesprochen.