
Die belgische Ratspräsidentschaft: Was bringt sie?
Am Ende der spanischen Ratspräsidentschaft wird das Land den Staffelstab an Belgien weitergeben.
MHW – 11/2023
Die
belgische Ratspräsidentschaft steht bevor. Belgien wird vom 1. Januar bis 30. Juni 2024 eine wichtige Rolle in der Gestaltung der Zukunft der
Europäischen Union (EU) spielen. Premierminister Alexander De Croo wird am 8.
Dezember 2023 das endgültige Programm der Ratspräsidentschaft vorstellen. Die wesentlichen Eckpunkte sind jedoch
bereits klar definiert.
Die
belgische Präsidentschaft legt besonderen Wert auf die legislative Komponente,
mit dem Ziel, eine Vielzahl von Gesetzgebungsentwürfen noch vor Ablauf der derzeitigen
Amtszeit der Europäischen Kommission abzuschließen. Tatsächlich läuft der belgischen
Ratspräsidentschaft allerdings schon sehr schnell die Zeit weg, da bis
spätestens März/April im Europäischen Parlament die Dossiers abgeschlossen
werden müssen. Danach befinden sich die Europaabgeordneten mit Blick auf die
für Juni geplanten Europawahlen im Wahlkampf.
Hausaufgaben stehen noch an
Sensible
Themen wie der Migrations- und Asylpakt, das Netto-Null-Industriegesetz im
Rahmen des Green Deal, die Reform des Strommarktes oder beispielsweise die
Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts stehen an. Die belgische
Ratspräsidentschaft möchte diese und weitere legislative Dossiers noch abschließen.
Des Weiteren erhofft sie sich, eine solide Grundlage für die Strategische
Agenda der EU für den Zeitraum 2024 bis 2029 zu legen.
In
insgesamt sechs Bereichen will Belgien Akzente setzen:
Sicherheit, Verteidigung und Migration; Rechtsstaatlichkeit und Demokratie;
Wirtschaft, Binnenmarkt und Handel; Sozialpolitik, Beschäftigung und
Gesundheit; der grüne Übergang und die Zukunft der EU.
Was ist in Sachen Gesundheit zu erwarten?
Der Fokus im Gesundheitsbereich soll laut einem durchgesickerten Leitfaden auf der
Resilienz von Gesundheitssystemen, gesunden Bevölkerungen, dem Gesundheitspersonal,
der Sicherheit der Arzneimittelversorgung, ungedeckten medizinischen Bedürfnissen und der
Antibiotikaresistenz gesetzt werden. Belgien wird sich aktiv mit dem Problem von
Arzneimittelengpässen auseinandersetzen und plant, die Produktion kritischer
Medikamente in die Strategischen Technologien für Europa-Plattform (STEP)
einzubeziehen.
Die
belgische Präsidentschaft wird außerdem Fortschritte in den Verhandlungen über
die pharmazeutische Gesetzgebung anstreben. Geplante informelle und formelle
Gesundheitsräte im April und Juni 2024 werden sich mit legislativen und
nicht-legislativen Maßnahmen befassen, darunter die Reform der
EU-Pharmagesetzgebung, dem Europäischen Gesundheitsdatenraum und der Umsetzung
der Europäischen Gesundheitsunion.
Und zu Sozialpolitik?
Belgien
möchte, dass die EU für die nächste Legislaturperiode eine starke Sozialagenda
entwickelt. Angesichts der aktuellen Herausforderungen, darunter eine alternde
Bevölkerung und der Umwelt- und Technologiewandel, betont Belgien die Bedeutung
anständiger Löhne, qualitativ hochwertiger Arbeit und starker sozialer
Sicherung. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger
sollten ebenfalls im Mittelpunkt stehen.
Auch
hier hat sich die belgische Ratspräsidentschaft zum Ziel gesetzt, laufende
Dossiers voranzubringen beziehungsweise abzuschließen, darunter die Richtlinie zur Verbesserung der
Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern, die Revision der EU-Verordnung über
die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme und den Europäischen
Behindertenausweis.
Zudem
strebt sie die Umsetzung der Europäischen Sozialcharta für die nächste
Legislaturperiode 2024 bis 2029 an. Hierbei spielen Themen wie Sicherheit und
Gesundheit am Arbeitsplatz (einschließlich psychischer Gesundheit) sowie der
Zugang zur sozialen Sicherheit eine zentrale Rolle. Die belgische
Ratspräsidentschaft wird dem Geschlechtergefälle bei den Renten besondere
Aufmerksamkeit widmen und sich für soziale Schutzmaßnahmen wie die Europäische
Kindergarantie und die Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit
Behinderungen einsetzen. Auch der soziale Dialog, einschließlich der Initiative
zum Recht auf Nichterreichbarkeit (Right to Disconnect), wird vorangetrieben.
Um in diesen Fragen Fortschritte zu erzielen, sind jeweils zwei
informelle Tagungen des EPSCO-Rates (Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“) Anfang Januar 2024 sowie zwei formelle
Anfang März und voraussichtlich Mitte Juni geplant. Eine groß angelegte
gemeinsame Tagung der EPSCO und ECOFIN (Rat „Wirtschaft und Finanzen") Räte ist zu
dieser Zeit auch vorgesehen.
Grüner Übergang und EU-Erweiterung bleiben im Menü
Der
grüne Übergang bleibt ebenfalls im Fokus der belgischen Präsidentschaft, die
darauf abzielt, den European Green Deal umzusetzen und gleichzeitig
sicherzustellen, dass der Übergang sozial gerecht gestaltet wird.
Schließlich
nimmt sich Belgien vor, die Zukunft der Europäischen Union aktiv zu gestalten, insbesondere
im Hinblick auf die beschleunigte EU-Erweiterung. Die belgische
Ratspräsidentschaft setzt sich dafür ein, die aktuell in Betracht gezogenen
Kandidatenländer (Ukraine, Moldau und Bosnien und Herzegowina) sowie mögliche
zukünftige Kandidatenländer (Georgien) in den Erweiterungsprozess
einzubeziehen, wenn auch mit Umsicht. Dabei wird Belgien sicherstellen, dass
Länder, denen Aussichten auf einen Beitritt gegeben wurden, die notwendigen
Reformen vorantreiben und die Kopenhagener Kriterien erfüllen.
Weitere Schritte
Die
belgische Ratspräsidentschaft steht vor der Herausforderung, die Interessen der
Mitgliedstaaten in den genannten strategischen Bereichen zu vereinen und eine
nachhaltige Grundlage für die Zukunft der EU zu schaffen.