Trilogverhandlung zur Plattformbeschäftigung nehmen an Fahrt auf
Europäisches Parlament und Rat gehen aufeinander zu.
VS – 11/2023
Nachdem das Europäische
Parlament und der Rat
für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ (EPSCO) ihre Standpunkte festgelegt hatten, sind am 11. Juli die Trilogverhandlungen
eingeleitet worden. Im Mittelpunkt der Kontroverse steht die Anwendung der
gesetzlichen Beschäftigungsvermutung zur Feststellung des Beschäftigungsstatus.
Nach dem in den ersten Verhandlungsrunden wenig bis gar keine Fortschritte erzielt
wurden, haben nun das Europäische Parlament und der Rat neue Vorschläge unterbreitet.
Richtlinienentwurf zur Plattformbeschäftigung
Der Richtlinienvorschlag für Plattformbeschäftigte verfolgt
zwei Hauptziele. Erstens soll der tatsächliche Beschäftigungsstatus von
Personen bestimmt werden, die für digitale Arbeitsplattformen in der EU
arbeiten. Damit soll der Zugang zu Sozial- und Arbeitsschutz von
Plattformbeschäftigten gestärkt werden und sowohl Plattformbetreibende als auch
– beschäftigte mehr Rechtssicherheit erhalten. Zweitens soll die Richtlinie die
Transparenz bei der Nutzung von Algorithmen durch digitale Arbeitsplattformen
erhöhen und eine menschliche Aufsicht über wichtige Entscheidungen, die sich
auf die Arbeitnehmer auswirken, sowie den Schutz ihrer personenbezogenen Daten
gewährleisten.
Positionen von Rat und Europäischen Parlament
Während große Übereinstimmung in Fragen der Transparenz beim
Einsatz von Algorithmen und dem Schutz personenbezogener Daten herrscht, wird
die Feststellung des Beschäftigungsstatus anhand der gesetzlichen
Beschäftigungsvermutung kontrovers diskutiert. Gegenüber dem Richtlinienentwurf
der Europäischen Kommission hat der Rat in seiner Position die Hürde für die
Auslösung der gesetzlichen Beschäftigungsvermutung von zwei aus fünf Kriterien
auf nun drei aus sieben Kriterien angehoben. Die Verabschiedung der
Position wurde jedoch durch Statements von Frankreich, Litauen und dem gemeinsamen
Statement von Belgien, Luxemburg, Spanien, Malta, der Niederlande, Portugal
und Rumänien begleitet. Sie verdeutlichen die
unterschiedlichen Positionen zur Anzahl der Kriterien, die der gesetzlichen
Beschäftigungsvermutung zugrundliegen sollen, sowie zu deren
Nichtberücksichtigung, wenn ein Kriterium gesetzlich oder tarifvertraglich
vorgeschrieben ist.
Das Europäische Parlament legt hingegen keine EU-weit
verbindlichen Kriterien zugrunde, sondern führt acht nicht-obligatorische
Kriterien in den Erwägungsgründen auf.
Beide Seiten unterbreiten neue Vorschläge
Die spanische Ratspräsidentschaft hat vorgeschlagen, eine
neue Bestimmung zu schaffen, die den Ermessenspielraum für die zuständigen
nationalen Behörden regelt. Dies betrifft die Beurteilung, ob der
Beschäftigungsstatus falsch eingestuft ist, sowie die Verpflichtung der
Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens, wenn eine Falscheinstufung
vermutet wird. Diese Bestimmung würde eine Formulierung aus dem Mandat des
Rates obsolet machen, die auch von einigen Mitgliedstaaten heftig kritisiert wird: Diese
besagt, dass es im Ermessen der Behörden liegt, die Vermutung unter bestimmten
Umständen nicht anzuwenden. Darüber hinaus sollen entsprechend der Forderung
der Parlamentarier Gewerkschaften oder Vertreter von Plattformbeschäftigen ein
Vermutungsverfahren einleiten können.
Auch das Europäische Parlament bewegt sich. So hat die
Berichterstatterin Elisabetta Gualmini (S&D) in
einem Arbeitspapier die Position des Europäischen Parlaments abgeschwächt. Danach sollen die bisher unverbindlichen acht
Kriterien verbindlich werden. Allerdings sind Wortlaut und
Geltungsbereich weiter gefasst als in der Position des Rates.
Harte Verhandlungen erwartet
Bis zu einer Einigung sind jedoch noch einige Hürden zu
überwinden. Alle Beteiligten betonen jedoch, dass weiterhin das Ziel ist, noch
in dieser Legislaturperiode die
Richtlinie zu verabschieden. Bis Ende Februar 2024 bleibt hierfür noch Zeit.