Finanz- und Sozialminister diskutieren über soziale Investitionen.

VS – 03/2024

Eine gut organisierte Sozialpolitik ist kein Kostenfaktor, sondern kann die Produktivität und das Wirtschaftswachstum fördern. Mit dieser Botschaft hat der belgische Ratsvorsitz der Europäischen Union (EU) am 12. März die erste gemeinsame Sitzung der europäischen Finanz- und Sozialminister der Ministerräte für „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ (EPSCO) und „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN) einberufen. Nach der Sitzung betonte die belgische Ratspräsidentschaft, dass zwischen beiden Ministerräten Einvernehmen bestehe, Wirtschafts- und Sozialpolitik aus einer integrierten Perspektive zu betrachten und sie gemeinsam das Thema soziale Investitionen in den Blick nehmen werden.

Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung als Ausgangspunkt

Am 26. April hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung mit dem Ziel vorgelegt, die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte zu stärken und durch die Berücksichtigung von Investitionen zu fördern. Dabei stellte sich die Frage, inwieweit hierbei auch soziale Investitionen zu berücksichtigen seien. Spanien und Belgien haben in der Folge gemeinsam diese Frage aufgegriffen und zum Thema ihrer Ratspräsidentschaften gemacht. Die überarbeitete wirtschaftspolitische Steuerung folgte letztendlich nicht dem Kommissionsvorschlag. Ein Teil der Mitgliedstaaten, hierunter auch Deutschland, hat sich grundsätzlich gegen die Berücksichtigung von Investitionen ausgesprochen. Der Fokus liegt nun weiterhin alleinig auf der Haushaltskonsolidierung. Investitionen werden nicht berücksichtigt. Dies gilt entsprechend auch für soziale Investitionen.

Ein neues Narrativ

Dennoch werden die Arbeiten zu sozialen Investitionen weiterverfolgt. Jetzt sogar als gemeinsames Thema von EPSCO und ECOFIN. Auf der gemeinsamen Sitzung der beiden Ministerräte herrschte Einigkeit, dass gut funktionierende und integrative Sozialschutzsysteme Schlüsselkomponenten einer sozial und wirtschaftlich widerstandsfähigen Gesellschaft seien. Soziale Investitionen verbessern die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Menschen, heutige und zukünftige gesellschaftliche Risiken besser zu bewältigen. So verfolgen Sozialinvestitionen die Ziele, sowohl die Erwerbsbeteiligung als auch die Produktivität von Erwerbstätigen zu erhöhen.

Die Einordnung sozialer Investitionen als einen wichtigen wachstumsfördernden Beitrag ist somit ein wichtiger Baustein, um die Bedeutung des Sozialen und der Sozialversicherung auf europäischer Ebene weiter zu stärken.

Evidenz

Gemeinsam haben Belgien und Spanien im Zusammenhang mit ihrem Ratsvorsitz im Juli 2023 eine informelle Arbeitsgruppe für Sozialinvestitionen (IWGSI) ins Leben gerufen. Diese soll fundierte Argumente für den Mehrwert sozialer Investitionen und Reformen bei der Förderung von sozialem Zusammenhalt, Wirtschaftswachstum und fiskalischer Nachhaltigkeit zusammentragen. Denn es gilt, auf europäischer Ebene wird nur berücksichtigt, was auch gemessen wird.

Am Ende haben sich alle Mitgliedstaaten zusammen mit der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament sowie Delegierten der Ausschüsse des EPSCO und des ECOFIN-Rates in dieser informellen Arbeitsgruppe engagiert. Auch die Sozialpartner waren einbezogen. Dies belegt die Bedeutung, die diese Akteure sozialen Investitionen beimessen.

Fünf Politikfelder

Die informelle Arbeitsgruppe hat fünf Politikfelder für soziale Investitionen identifiziert, für die sich ein positiver Zusammenhang zu Wirtschaftswachstum und fiskalischer Nachhaltigkeit empirisch nachweisen lässt. Hierbei handelt es sich um

(1) lebenslanges Lernen und Weiterbildung,

(2) Bildung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf,

(3) Arbeitsschutzmaßnahmen und Rehabilitation,

(4) aktive Arbeitsmarktpolitiken sowie

(5) Verringerung Arbeitsmarktsegmentierung und Grenzsteuerbelastung.

Wie geht es weiter?

Die technischen Arbeitsgruppen der EU sollen den Auftrag erhalten, Vorschläge zu entwickeln, wie die Wirkung sozialer Investitionen auf die Produktivität, das Wirtschaftswachstum und die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen gemessen werden können.