Anreize für neue Medi­ka­mente: Noch gibt es wenig konkrete Vorschläge.

UM – 10/2024

Die „stille Pandemie“

Antimikrobielle Resistenzen (AMR) gelten als eine der drei größten Gesundheitsgefahren. Jedes Jahr sterben in der Europäischen Union (EU) 35.000 Menschen an den Folgen von AMR. Weltweit sind es mehr als eine Million. Bis zum Jahr 2050 könnte sich diese Zahl verdoppeln, so die düstere Prognose. Obwohl die Wirkungen von AMR verheerend sind, ist ein Problembewusstsein in der breiten Bevölkerung nur wenig vorhanden. AMR sind eine „stille Pandemie“.

G7 befasst sich mit AMR

Das ist in der Politik anders. Am 10. Oktober haben sich die G7-Gesundheitsministerinnen und -minister in Italien getroffen, um sich mit der Herausforderung AMR auszutauschen. Im Zentrum steht der verantwortungsvolle Umgang mit Antibiotika bei Mensch und Tier, die Erweiterung des Zugangs zu antimikrobiellen Arzneimitteln sowie die Unterstützung der Forschung und Entwicklung neuer Mittel. Dass sie konkrete Maßnahmen vereinbaren oder gar Finanzierungszusagen treffen, ist keineswegs gesichert. Eines der größten Probleme ist, dass die Pharmaindustrie keine neuen Antibiotika entwickelt. Deshalb richtet sich die Hoffnung auf die G7, sich bis zum Ende der italienischen Präsidentschaft Ende November auf einen gemeinsamen Kurs für Marktanreize für neuartige Antibiotika zu verständigen. Als Vorbild dient das Vereinigte Königreich, das ein Abonnementmodell eingeführt hat, bei dem die Entwickler neuartiger Antibiotika einen zuvor vereinbarten festen Betrag als Gegenleistung für eine garantierte Versorgung erhalten.

UN-Gene­ral­ver­samm­lung will Geld für Entwick­lungs­länder mobi­li­sieren

Der Termin folgt gut zwei Wochen nach dem hochrangigen Treffen der UN-Generalversammlung, die mit einer politischen Erklärung endete, die von Expertinnen und Experten und Gesundheits-NGOs als eher enttäuschend bewertet wurde. Einer der am stärksten abgeschwächten Bereiche war die Eindämmung des Antibiotikaeinsatzes in der Landwirtschaft, einer der größten Treiber der Antibiotikaresistenz. Aber auch an anderer Stelle waren die Meinungsverschiedenheiten groß, so bei den Verpflichtungen der Pharmaindustrie, der gemeinsamen Nutzung neuer Technologien, beim gerechten Zugang zu neuen Medikamenten und bei der Finanzierung. Wobei hier weniger Anreizsysteme im Fokus standen. Ein neues unabhängiges Gremium erhält den Auftrag, Ideen zu entwickeln, wie 100 Millionen Euro für Entwicklungsländer gesammelt werden können, um deren Kampf gegen AMR zu unterstützen.

Und Europa?

Im April des letzten Jahres hatte die Europäische Kommission im Zuge der Veröffentlichung ihres Vorschlags für die Überarbeitung der allgemeinen Arzneimittelvorschriften mitgeteilt, dass auch die Behörde für Vorsorge und Reaktion bei gesundheitlichen Notlagen HERA an einer „Einnahmengarantie“ arbeite. Presseveröffentlichungen zufolge wird dies gegenwärtig in der Variante eines Mehrländer-Einnahmegarantiesystems geprüft, bei dem die teilnehmenden Unternehmen eine Entschädigung erhalten, wenn ihre Verkäufe unter einen vorher festgelegten Schwellenwert fallen. Umgekehrt verpflichten sie sich, die Mitgliedstaaten innerhalb von 24 Stunden nach einer Bestellung mit Antibiotika zu versorgen. Darüber hinaus ist weiterhin auch die gemeinsame Beschaffung von antimikrobiellen Mitteln Bestandteil der Überlegungen der Behörde.

EU-Staaten wollen Verbrauch dras­tisch senken

Immerhin hat der Rat in einer Empfehlung vom 13. Juni 2023 bereits die Mitgliedsstaaten stärker in die Pflicht genommen, bis zum Jahr 2030 den menschlichen Verbrauch von Antibiotika um 20 Prozent zu senken und den EU-weiten Verkauf antimikrobieller Mittel für Nutztiere und Aquakultur um 50 Prozent.

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