Gesund alt werden!
Europa braucht Gesundheitsprävention und genügend Fachkräfte.
UM – 11/2024
Die lebenslange Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention ist Bedingung für ein gesundes Altern. Dies hebt der gemeinsame Bericht der Europäischen Kommission und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, der Mitte November 2024 veröffentlicht worden ist. Der Bericht „Gesundheit auf einen Blick: Europa 2024“ betont gleichzeitig die Notwendigkeit, dass der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen behoben werden muss. Und dies in ganz Europa!
In der doppelten Demografie-Falle
In den EU-Ländern fehlten im Jahr 2022 rund 1,2 Millionen Ärzte, Pflegekräfte und Hebammen. Die Mitgliedstaaten sind dabei einer doppelten demografischen Herausforderung gegenübergestellt: Die alternde Bevölkerung erhöht die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen, während die alternde Erwerbsbevölkerung zu einem höheren Anteil von aus Gesundheitsberufen ausscheidenden Arbeitskräften führt. Erschwerend kommt hinzu: Das Interesse junger Menschen an Gesundheitsberufen, insbesondere in der Krankenpflege, nimmt ab. Gegenstrategien müssen gleichermaßen auf die Gewinnung von Gesundheitspersonal und die Reduzierung der Nachfrage durch einen gesunden Lebensstil bis ins hohe Alter zielen.
Anwerbung im Ausland
Als Kurzfriststrategie haben die europäischen Länder immer wieder Gesundheitskräfte im Ausland angeworben. Nach dem pandemiebedingten Rückgang ist die Zahl von Fachpersonal mit ausländischem Ausbildungsabschluss wieder stark angestiegen: bei Ärztinnen und Ärzten um 17 Prozent, bei Pflegekräften sogar um 72 Prozent. Solche Lösungen lassen zunächst aufatmen, verschärfen aber die Versorgungssituation in den Herkunftsländern.
Langfriststrategien
Auf lange Sicht, so die Empfehlung des Berichts, müsse Europa mehrgleisig fahren. So seien die Arbeitsbedingungen zu verbessern, um die Berufsbilder attraktiver zu machen und die Menschen in den Gesundheitsberufen zu halten. Mittel- und langfristig seien die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu verbessern, um mehr Menschen für die Berufe zu begeistern. Strukturell solle der Qualifikationsmix optimiert werden, um die Pflegeberufe attraktiver zu machen. Das Potential von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz solle zur Steigerung der Produktivität des Gesundheitspersonals genutzt werden.
Prävention und Gesundheitsförderung
Dass die Förderung einer gesunden Lebensweise bei langem Leben die Belastungen der Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme verringern kann, ist nicht neu. Die Risikofaktoren sind ebenfalls bekannt: Tabak, Alkohol, schlechte Ernährung, Bewegungsmangel, Fettleibigkeit. 2021 waren fast 21 Prozent aller Todesfälle in der Europäischen Union (EU) auf eine Kombination dieser Faktoren zurückzuführen. Und die Risikofaktoren sind weit verbreitet. Weniger bekannt ist: Bis zu 45 Prozent aller Demenzfälle sind vermeidbar, wenn die entsprechenden Risikofaktoren angegangen würden, so die Lancet Kommission zur Demenzprävention 2024. Zu solchen Risikofaktoren gehören im Übrigen neben schlechter schulischer Bildung, mangelhafter sozialer Eingebundenheit, Hörproblemen, Depressionen und Fettleibigkeit auch ein zu hohes Cholesterin und ein abnehmendes Sehvermögen. Die Rezepte dagegen: Krankheitsprävention, Impfen, Förderung der psychischen Gesundheit in jedem Alter und die Vermittlung von Gesundheitskompetenz.
Sozioökonomische Ungleichheiten
Die individuellen Gesundheitschancen korrelieren mit dem sozioökonomischen Status. Das gilt auch heute noch. Doch die Jugend ist ein Fall für sich: Mehr als die Hälfte klagen über körperliche Probleme und psychische Belastungen und essen zu wenig Obst und Gemüse. Nur 15 Prozent der Jugendlichen bewegen sich genug. Oft kommt beides zusammen. So ist die Adipositasrate bei Jugendlichen aus wenig wohlhabenden Familien mehr als 60 Prozent höher als bei Gleichaltrigen aus bessergestellten Familien.
Länderunterschiede
Die individuellen Gesundheitschancen hängen aber auch davon ab, wo man geboren wird. Die Lebenserwartung in der EU beträgt bei der Geburt 81,5 Jahre. Doch zwischen dem Land mit der niedrigsten und der höchsten Lebenserwartung liegen acht Jahre. So werden Spanier und Italiener im Schnitt 83,5 Jahre und älter, während man in Bulgarien oder Lettland nur von einer Lebenserwartung von 76 Jahren ausgehen kann.