Erfahrungen mit dem „Ley Rider“.

VS – 01/2025

Die widerlegbare Beschäftigungsvermutung ist ein Kernelement der EU-Richtlinie zur Plattformarbeit. Danach wird die Beweislast und eine gewisse Rechtfertigungspflicht auf die Plattform umgekehrt, wenn diese den Plattformbeschäftigten als Selbstständigen einstuft. Sie soll helfen, den Beschäftigungsstatus von Plattformbeschäftigten zu bestimmen. Im August 2021 hat Spanien als erstes Land in der EU und noch bevor das Gesetzesverfahren zur Plattformrichtlinie auf europäischer Ebene begonnen hatte, eine widerlegbare Beschäftigungsvermutung für die Statusfeststellung von auf digitalen Plattformen tätigen Fahrerinnen und Fahrern eingeführt.


Die Auswirkungen dieses als „Ley Rider“ bekannt gewordenen Gesetzes werden in einer aktuellen Studie untersucht. Die Studie zeigt, dass alle drei betrachteten Lieferdienste mittels verschiedener Strategien versuchen, die Auswirkungen des Gesetzes auf das eigene Geschäftsmodell zu minimieren. Auch wurden Verstöße gegen das Gesetz nicht oder nur mit sehr großer Verzögerung sanktioniert. Aus diesen Gründen wirkt sich das Gesetz nur langsam auf die tatsächliche Beschäftigungssituation aus.


Die Studie kommt darüber hinaus zu dem Schluss, dass das mit dem Gesetz verbundene Ziel, Plattformbeschäftigte vor prekären Beschäftigungsverhältnissen zu schützen, nicht erreicht werden konnte. Hierfür genüge es nicht, sich nur auf die Feststellung des Beschäftigungsstatus zu konzentrieren.

Wie werden die Plattformen reagieren?

Die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit zielt darauf ab, dass der Statusfeststellung das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegt. Bis zum 2. Dezember 2026 haben die Mitgliedstaaten nun Zeit, die Richtlinie umzusetzen. Die Auswirkungen der Richtlinie auf die Plattformbeschäftigten sind jedoch unklar. Digitale Arbeitsplattformen zeichnen sich dadurch aus, ihre Geschäftsmodelle und Betriebsstrategien an unterschiedliche soziale und rechtliche Kontexte anzupassen. Der Erfolg der Richtlinie wird jedoch maßgeblich von der Umsetzung der Vorschriften durch die digitalen Arbeitsplattformen abhängen.

Die Entwicklung in Spanien kann hierfür erste Anhaltspunkte liefern. In der vorliegenden Studie werden die Effekte ein Jahr nach der Einführung des „Ley Rider“ anhand von drei großen Lieferdiensten analysiert. Die Autoren untersuchen deren Reaktion auf die Veränderungen des regulatorischen Rahmens und die tatsächlichen Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse.

Studienergebnisse

In der Studie konnten die Autoren drei Strategien im Umgang mit dem neuen arbeitsrechtlichen Rahmen feststellen. Ein Lieferdienst beschäftigt Plattformbeschäftigte nun als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Teilzeit. Der tatsächliche Beschäftigungsumfang entsprach jedoch fast dem der Vollzeit. Der Lieferdienst nutzt hierbei eine Besonderheit der in Spanien geltenden Überstundenregelung aus.

Der zweite Lieferdienst hat die Auslagerung des Managements der Plattformbeschäftigten an Subunternehmen vorangetrieben. Diese stehen untereinander in Konkurrenz. Hierbei sind die Plattformbeschäftigten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Form von stetig wechselnden Kettenverträgen bei den Subunternehmen angestellt. Die digitale Arbeitsplattform hat sich hier durch Ausnutzung des spanischen Arbeitsrechts einen Teil der Flexibilität beim Einsatz der Plattformbeschäftigten erhalten.

Der dritte Lieferdienst hat seine Verträge zwar formal angepasst. Laut den Autoren hat sich an der tatsächlichen Beschäftigtensituation jedoch nichts Wesentliches verändert. Dies entspricht auch den Ergebnissen der Untersuchungen der spanischen Behörden. Allerdings dauerte es über ein Jahr, bis diese reagierten. Erst die in den folgenden Jahren ausgesprochenen Bußgelder haben dazu geführt, dass der Lieferdienst angekündigt hat, seine Kuriere zukünftig als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu führen.

„Ley Rider“ wirkt

Die Studie zeigt, dass zwei der betrachteten Lieferdienste sich an das Gesetz angepasst haben. Die Absicherung der Plattformbeschäftigung hat sich dadurch verbessert. Allerdings nutzen die beiden Plattformen die bestehenden arbeitsrechtlichen Möglichkeiten zulasten der Plattformbeschäftigten vollständig aus. Dies zeigt, dass zur Vermeidung prekärer Beschäftigungsverhältnisse der alleinige Fokus auf die Feststellung des Beschäftigungsstatus nicht ausreicht. Der dritte betrachtete Lieferdienst zeigt, wie wichtig es ist, bestehende Gesetze auch durchzusetzen und Verstöße zu ahnden.