Sir_Oliver - FotoliaLänderspezifische Empfehlungen
Rentenpolitik erneut im Fokus.
VS – 07/2025
Am
8. Juli haben die Wirtschafts- und Finanzministerinnen und -minister der
EU-Mitgliedstaaten im ECOFIN-Rat die länderspezifischen Empfehlungen zur
Wirtschafts-, Sozial-, Beschäftigungs-, Struktur- und Haushaltspolitik
angenommen. Bereits am 19. Juni hatte der Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und
Verbraucherfragen“ (EPSCO) die Empfehlungen erörtert. Deutschland wird – wie in den Empfehlungen des vergangenen Jahres
aufgefordert – den Bundeszuschuss reduzieren. Um die langfristige Tragfähigkeit
des Rentensystems zu sichern und gleichzeitig eine angemessene Rentenhöhe zu
gewährleisten, sollen unter anderem ein längeres Erwerbsleben gefördert und die
Anreize für einen vorzeitigen Renteneintritt verringert werden.
Schwerpunkte Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen
Die länderspezifischen Empfehlungen beruhen auf den Länderberichten der Europäischen Kommission. Darin werden die
wirtschaftlichen, beschäftigungspolitischen und sozialen Entwicklungen in den
einzelnen Mitgliedstaaten im Einklang mit den im Kompass für
Wettbewerbsfähigkeit festgelegten Prioritäten bewertet.
Der am 29. Januar vorgelegte Kompass basiert auf den Analysen und Empfehlungen
des Draghi-Berichts und des Letta-Berichts und formuliert drei Pfeiler für die Stärkung
der Wettbewerbsfähigkeit in Europa: (1) Förderung von Innovationen, (2) Erleichterung
des Zugangs zu sauberer Energie und (3) Reduzierung wirtschaftlicher
Abhängigkeiten. Als Querschnittsmaßnahme zählt hierzu die Qualifizierung von
Fachkräften. Die im Letta-Bericht betonte Bedeutung der sozialen Sicherung für
die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes sowie die Bedeutung von sozialen
Investitionen für die Wettbewerbsfähigkeit Europas sind nicht in den Kompass
eingegangen.
Fiskalischer Spielraum für zukunftsgewandte Investitionen
Als zentrale
Herausforderung werden im Länderbericht für Deutschland die zu geringen
öffentlichen Investitionen angesehen. Entsprechend wird wie in den Empfehlungen
des vergangenen Jahres die Höhe der Bundeszuschüsse kritisiert. Um den
fiskalischen Spielraum für zukunftsorientierte öffentliche Investitionen zu
erhöhen, wird empfohlen, die Bundeszuschüsse zu reduzieren. Darüber hinaus wird
im Länderbericht angeregt, die Einrichtung einzelner oder nationaler
Investmentfonds zu prüfen. Wie bereits im Draghi-Report betont, könnten diese
dazu beitragen, das Rentensystem zu finanzieren und langfristige Ersparnisse in
private Investitionen zu lenken. Das Fehlen einer kapitalgedeckten Säule des
Rentensystems, die das bestehende umlagefinanzierte System ergänzt, wirke sich
negativ auf die Tragfähigkeit und Angemessenheit des Rentensystems, aber auch
auf private Investitionen in Aktien, den Zugang der Unternehmen zu Finanzierung
sowie auf Wachstum und Innovation aus.
Im Länderbericht
wird als problematisch für die Wettbewerbsfähigkeit bewertet, dass gut
ausgebildete und gesunde Menschen häufig früh aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden.
Insgesamt würden die Hälfte der Beschäftigten vor Erreichen des gesetzlichen
Renteneintrittsalters aus dem Erwerbsleben ausscheiden, davon fast ein Drittel
ohne Kürzung ihrer Rentenansprüche. Entsprechend wird die
Empfehlung ausgesprochen, die Anreize für den vorzeitigen Eintritt in den
Ruhestand zu verringern. Neben der ebenfalls empfohlenen Anpassung der
Rentenindexierung und Überarbeitung der Beitragsobergrenzen würde dies die
Tragfähigkeit des Rentensystems verbessern.
Angemessenheit auf Armutsbekämpfung reduziert
Betrachtet man
die länderspezifischen Empfehlungen für alle Mitgliedstaaten, so zeigt sich,
dass der Fokus der 13 ausgesprochenen Empfehlungen im Bereich der
Alterssicherung weiterhin auf deren finanzieller Tragfähigkeit liegt. Hierzu
zählen Maßnahmen wie die Anhebung des Renteneintrittsalters und die Begrenzung
der Frühverrentung. Neu hinzugekommen ist der Bezug von Empfehlungen im Bereich
der Alterssicherung zu öffentlichen und privaten Investitionen in Deutschland,
Tschechien und Litauen. Allerdings haben auch vier Länder – die baltischen
Staaten und Kroatien – eine Empfehlung erhalten, Armut und Ungleichheit durch
angemessenere Rentenleistungen zu verringern. Das gemeinsame Ziel einer
angemessenen Lebensstandardsicherung durch die Rentenversicherung wurde jedoch
in keiner länderspezifischen Empfehlung formuliert.
Spar und Investitionsunion
Ab dem kommenden
Europäischen Semester 2025/2026 soll die Spar- und Investitionsunion schrittweise in das Semester integriert
werden. Mit dieser im März 2025 vorgestellten Strategie sollen das
Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der EU gesteigert werden. Dabei
soll privates Kapital effizienter in langfristige Investitionen gelenkt und die
Kapitalmärkte gestärkt werden. Der Fokus auf kapitalgedeckte Elemente der
Altersvorsorge könnte daher zukünftig noch zunehmen.