Europäische Kommission startet Überarbeitung der Normungsverordnung.

SK – 07/2025

Die Europäische Kommission hat mit der Überarbeitung der Normungsverordnung begonnen. Bis Mitte Juli wurde dazu Feedback zur Folgenabschätzung eingeholt. Für den Herbst ist eine öffentliche Konsultation geplant. Im Mittelpunkt der Überarbeitung stehen insbesondere die Beschleunigung der europäischen Normungsverfahren sowie eine stärkere Einbindung unterschiedlicher Interessengruppen.

Studie zur Reformbedürftigkeit der Normungsverordnung

Die seit 2012 geltende Normungsverordnung bildet das Fundament des europäischen Standardisierungssystems. Auf Initiative der Europäischen Kommission wurde sie von externen Dienstleistern evaluiert. Die dabei entstandene Studie attestiert der Verordnung zwar Kohärenz, Effizienz und Inklusivität, sie identifiziert jedoch auch Reformbedarf. So dauert der Normungsprozess im Durchschnitt rund sechs Jahre – ein Zeitraum, der als zu lang eingeschätzt wird. Auch die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen wird als unzureichend wirksam bewertet. Zudem könnten europäische Interessen und Werte durch mehr Flexibilität, Agilität und Wettbewerb innerhalb des Normungssystems besser gestärkt werden.

Einleitung des Überarbeitungsprozesses

Auf Grundlage der Studienergebnisse sowie einer bereits im Sommer 2024 durchgeführten öffentlichen Konsultation mit ähnlichen Befunden hat die Kommission die Überarbeitung der Verordnung eingeleitet. Nach Abschluss der derzeit laufenden Sondierungsphase ist geplant, im zweiten Quartal 2026 einen Legislativvorschlag vorzulegen.

Folgen des Malamud-Urteils

Neben den Studienergebnissen wird auch das sogenannte Malamud-Urteil die Zukunft der Normung prägen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied im März 2024, dass harmonisierte Normen, auf die in EU-Rechtsakten Bezug genommen wird, als Teil des EU-Rechts öffentlich zugänglich sein müssen – ungeachtet etwaiger urheberrechtlicher Bestimmungen. Entsprechend ist ein freier und unentgeltlicher Zugang zu diesen Normen zu gewährleisten, sofern sie in europäischen Rechtsvorschriften referenziert werden. In Reaktion darauf richteten nationale Normungsorganisationen digitale Portale ein, über die ein Lesezugriff auf entsprechende nationale Normversionen möglich ist. Das Malamud-Urteil gilt als zentraler Impulsgeber für die laufende Reform – insbesondere in Bezug auf den freien Zugang zu Normen, die Beteiligung öffentlicher Stellen sowie die Modernisierung der Verfahren zur Erstellung und Veröffentlichung von Normen.


Da harmonisierte europäische Normen teilweise oder vollständig auf internationalen Standards beruhen, betrifft die Veröffentlichungspflicht auch internationale Organisationen wie die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) und die Internationale Organisation für Normung (ISO). Beide Organisationen haben im Dezember 2024 Klage gegen die EU eingereicht, um eine ungewollte Offenlegung ihrer Normen zu verhindern. Die Auswirkungen dieser Klage auf die Reformpläne bleiben abzuwarten.

Gemeinsame Spezifikationen als Alternativinstrument

Die Studie nennt als mögliche Alternative zur harmonisierten Normung sogenannte „gemeinsame Spezifikationen“ (Common Specifications). Diese können von der Europäischen Kommission erlassen werden, wenn keine harmonisierte Norm vorliegt, diese nicht rechtzeitig verfügbar ist oder sich als ungeeignet erweist. In der Praxis kommen gemeinsame Spezifikationen bislang selten zum Einsatz – typischerweise in Bereichen mit hohem Innovationsdruck oder besonderer sicherheitstechnischer Relevanz. Dennoch werden mit Blick auf eine verstärkte Nutzung auch Bedenken geäußert.


Aus Sicht der DSV ist klar: Gemeinsame Spezifikationen dürfen nicht zum Ersatz regulärer Normungsverfahren werden. Ihr Einsatz muss sich auf Ausnahmefälle beschränken, klaren und rechtsverbindlichen Kriterien folgen und in einem transparenten Verfahren erfolgen. Dabei ist eine frühzeitige und umfassende Einbindung aller relevanten Interessengruppen zwingend sicherzustellen.