Europäische Kommission legt Verordnungsvorschlag zur Simplifizierung vor.

CC – 12/2025

Im Rahmen des am 16. Dezember vorgelegten EU-Gesundheitspakets hat die Europäische Kommission einen Verordnungsvorschlag zur Vereinfachung der Medizinprodukteverordnung (MDR) und In-vitro-Diagnostika Verordnung (IVDR) veröffentlicht. Ziel ist es, die Zertifizierungsverfahren zu vereinfachen, administrative Belastungen zu reduzieren und den Marktzugang für Medizinprodukte zu beschleunigen. Nach Darstellung der Kommission soll der regulatorische Rahmen gestrafft und zukunftsfest ausgestaltet werden. Vorhersehbarkeit, Kosten- und Effizienz der Zertifizierungsverfahren sollen verbessert, Innovationshemmnisse abgebaut und die Verfügbarkeit von Medizinprodukten gesichert werden.

Vereinfachung und Verhältnismäßigkeit

Zentrales Element des Vorschlags soll eine Neuausrichtung der Zertifizierungslogik sein. Die bislang auf fünf Jahre begrenzte Gültigkeitsdauer von Zertifikaten soll entfallen; stattdessen sollen für die Zertifizierung zuständige staatlich benannte und überwachte Organisationen (sog. Benannte Stellen bzw. “Notified Bodies”) während der Laufzeit regelmäßige, risikobasierte Überprüfungen durchführen. Zudem sollen die Anforderungen an klinische Daten flexibilisiert werden. Künftig sollen auch erweiterte Datensätze anerkannt und die Nutzung von Daten gleichwertiger Produkte erleichtert werden. Für sogenannte „well established technology devices“ soll erstmals eine eigene Definition mit verhältnismäßigeren Anforderungen eingeführt werden. Auch die Risikoklassifizierung soll angepasst werden: Bestimmte Produkte – etwa wiederverwendbare chirurgische Instrumente, Zubehör implantierbarer Medizinprodukte oder Software – sollen künftig niedrigeren Risikoklassen zugeordnet werden.

Innovation, Verfügbarkeit und besondere Versorgungssituationen

Zur Sicherung von Innovation und Versorgung sollen die Regeln für In-house-Produkte in Gesundheitseinrichtungen flexibilisiert werden. Gleichzeitig soll ein neues, an EUDAMED angebundenes IT-Instrument eingeführt werden, über das Lieferunterbrechungen oder -einstellungen bestimmter Medizinprodukte gemeldet werden können. Zudem sollen erstmals Kriterien für „Breakthrough Devices“ und „Orphan Devices“ eingeführt werden. Nach entsprechender Designation sollen diese Produkte priorisiert und fortlaufend überprüft werden. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen Orphan-Produkte auch über bestehende Übergangsfristen hinaus in Verkehr bleiben dürfen. Darüber hinaus soll die Kommission im Falle eines öffentlichen Gesundheitsnotstands die Befugnis erhalten, das Inverkehrbringen von Medizinprodukten selbst zu genehmigen.

Zertifizierung, Koordinierung und Digitalisierung

Die Rolle der Benannten Stellen soll insbesondere bei Produkten mit niedrigem und mittlerem Risiko reduziert werden. Vorgesehen ist unter anderem, die technische Dokumentation nur noch für ein repräsentatives Produkt je Produktgruppe zu prüfen; für sterile In-vitro-Diagnostika der Klasse A soll die Beteiligung Benannter Stellen vollständig entfallen. Audit- und Konsultationsverfahren sollen flexibler ausgestaltet werden, etwa durch den verstärkten Einsatz von Remote-Audits. Ein weiterer Schwerpunkt soll auf der Digitalisierung liegen: EU-Konformitätserklärungen, Kennzeichnungsangaben, Gebrauchsanweisungen und technische Unterlagen sollen künftig auch in digitaler Form bereitgestellt werden können.

Anpassung an die KI-Verordnung

Der Vorschlag soll zudem eine Änderung des KI-Gesetzes vorsehen, obwohl dieses bereits im Rahmen eines separaten Omnibus-Verfahrens überarbeitet wird. Konkret sollen die Medizinprodukteverordnung (MDR) und die Verordnung über In-vitro-Diagnostika (IVDR) von Abschnitt A in Abschnitt B des Anhangs I des KI-Gesetzes verlagert werden. Die von diesen Rechtsakten erfassten Produkte und Sicherheitskomponenten sollen damit künftig einem weniger strengen Anforderungskatalog für Hochrisiko-Systeme unterliegen.

Mehr als eine punktuelle Anpassung

Die angekündigte „schlanke, zielgerichtete“ Anpassung von MDR und IVDR erweist sich mit rund 170 Seiten als deutlich umfassender als ursprünglich angekündigt und läuft in Teilen auf eine Neujustierung des bestehenden Regulierungsansatzes hinaus. Vorgesehen sind politisch weitreichende Elemente wie erweiterte Eingriffsbefugnisse der Kommission in Krisensituationen, zusätzliche IT-Strukturen für Engpassmeldungen über EUDAMED trotz bislang eingeschränkter Funktionsfähigkeit sowie Anpassungen an der KI-Verordnung mit abgesenkten Anforderungen für MDR- und IVDR-Produkte im Hochrisikobereich. Von einer bloß „kleinteiligen“ Reform kann daher keine Rede sein.


Gezielte gesetzgeberische Nachjustierungen können aus Sicht der DSV sinnvoll sein, sofern sie tatsächlich administrative Belastungen abbauen und den Zugang zu Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika erleichtern, ohne Abstriche bei Patientensicherheit und der Qualität klinischer Daten zu machen. Dies gilt es im Detail zu prüfen.

Ausblick

Der Verordnungsvorschlag wird nun im Rat und im Europäischen Parlament beraten. Die zypriotische Ratspräsidentschaft hat angekündigt, die MDR/IVDR-Anpassung prioritär zu behandeln. Ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erscheint voraussichtlich noch vor der Sommerpause 2026 möglich.