Die Briten waren seit Jahrzehnten Bremser, wenn es darum ging, mehr nationale Gestaltungsmacht nach Brüssel zu überführen und Sachverhalte zu vergemeinschaften.

09/2016

Schon kurz nach dem britischen Referendum mehrten sich kritische Bewertungen, die den beabsichtigten EU-Austritt des Vereinigten Königreiches als quasi selbstschädigendes Unsinnsunternehmen darstellten, bis hin zur Überzeugung, „man“ werde halt nochmals abstimmen lassen und das Resultat damit korrigieren. Die Börsen haben dies weitgehend widerlegt: trotz erheblicher Verluste nach dem Referendum fiel der FTSE, der britische Börsenindex, wesentlich schwächer als etwa unser DAX. Das ohnehin überbewertete Pfund sackte beachtlich nach unten und eröffnete der britischen Wirtschaft damit neue Chancen. Zwischenzeitlich ist das Ereignis „Brexit“ an den Börsen anderen Faktoren gewichen.  

 

Das Ausstiegsprocedere, von manchen als Strafe für den britischen Auszug ins Spiel gebracht, dürfte angesichts der massiven deutschen Wirtschaftsinteressen auf dem britischen Markt auch anders ausfallen als es sich Frankreich, Spanien oder gar Griechenland „politisch“ vorstellen. Immerhin exportierte Deutschland in 2014 für rund 98 Mrd. EUR nach Großbritannien. Im Gegenzug die Briten für rund 38 Mrd. EUR nach Deutschland. Weitgehend unerwähnt bleibt, dass „UK“ nach Deutschland als zweitwichtigster Nettozahler der EU ausfallen wird. An Platz drei rangiert Frankreich, welches jedoch angesichts seiner desolaten Wirtschaftslage kaum massive Mehrbelastungen wird freiwillig übernehmen wollen, zudem die EU als solche dort derzeit sehr unpopulär ist.  

 

Auch ein politischer „Fall-out“ des Brexit wird Deutschland künftig belasten: die Briten waren seit Jahrzehnten Bremser, wenn es darum ging, mehr nationale Gestaltungsmacht nach Brüssel zu überführen und Sachverhalte zu vergemeinschaften. Künftig hat Deutschland also die Wahl, dies nachdrücklicher selbst tun zu müssen, oder eben mit den Risiken einer von „Brüssel“ gern intensivierten Vergemeinschaftung aller nur möglichen Sachverhalte zu leben. Dies könnte rasch zu Problemen führen, etwa wenn es darum geht, finanziell relevante deutsche Sonderwege – den Sozialschutz – vom Brüsseler Zugriff im Interesse gelebter Subsidiarität fernzuhalten.